Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Verhandlungen über den Wirkungskreis der Provinzialbehörden. 201 
Feine Schroffheit nirgends Liebe erweckte; der rationalistische Zug seines 
Geistes entsprach der Gesinnung, die in der Stadt der reinen Vernunft 
seit langem vorherrschte, und alle wußten, wie glühend er seine Heimat 
liebte, wie einsichtig und unerschrocken er sich aller ihrer Interessen vor 
dem Throne annahm. Das Beispiel seiner absprechenden Tadelsucht wirkte 
verderblich auf das ohnehin zu scharfem Urteil geneigte Volk; durch Schöns 
langjährige Verwaltung wurde die übermacht der egtremen Partei in 
unserer Ostmark zuerst begründet. In Berlin spottete man insgeheim über 
seinen unermeßlichen Dünkel und erzählte sich lächelnd, wie er einmal, 
unmittelbar vor der Heimreise, eine Einladung Hardenbergs mit den 
Worten ausgeschlagen hatte: „meine Provinz kann meiner nicht eine Stunde 
länger entbehren;“ doch mochte niemand gern dem streitbaren Manne 
mit den strengen, strafenden Augen offen entgegentreten. Witzleben, Klewitz, 
Vincke schätzten ihn hoch; auch der König nahm von ihm manches herbe 
Wort hin, da er seine Ergebenheit kannte. 
Als Schön aus den Verhandlungen des Staatsrats die Uneinigkeit 
der Minister kennen lernte, hielt er die Lage des Staates alsbald für 
ebenso verzweifelt wie sie vor der Schlacht von Jena gewesen, und riet 
dem Staatskanzler dringend zur Bildung eines neuen Ministeriums, das 
nur aus Gesinnungsgenossen bestände und, gleich dem englischen Kabinett, 
durch „die Achtung des Volks“ getragen würde: dies England blieb ihm nun 
einmal der liberale Musterstaat, obgleich dem Hochtory-Kabinett jener Tage 
wahrlich nichts gleichgültiger war als die Achtung des Volks. Um seinen 
Vorschlägen Nachdruck zu geben, überreichte Schön sodann den versammelten 
Oberpräsidenten den Entwurf einer gemeinsamen Beschwerdeschrift, die den 
Monarchen über „den verkümmerten Zustand der Verwaltung“ aufklären 
sollte. Dies sonderbare, an drastischen Wendungen überreiche Schriftstück 
schilderte mit grellen Farben, wahres und falsches willkürlich vermischend: 
wie der so bunt zusammengesetzte Staat allein durch den Geist zusammen- 
gehalten werden könne, und dieser Geist jetzt unterdrückt werde; die Polizei 
bekunde sich als Druck, die allgemeine Wehrpflicht arte in eine Last des 
Landes aus, die Justiz sei nur noch eine leidende Maschine in der Hand 
des Ministers, für Kirche und Schule geschehe gar nichts. Daran schlossen 
sich scharfe Anklagen wider die eigenmächtige und nachlässige Amtsführung 
des Finanzministers und wohlberechtigte Beschwerden über „das unge- 
bundene Ziehen aller Geschäfte der Provinzialverwaltung, in französischer 
Art, nach der Mitte"“". So mächtig war die grämliche Verstimmung der 
Zeit, daß sieben von den zehn Oberpräsidenten sich entschlossen, dies lange 
Register unbestimmter und zum Teil grundloser Klagen zu unterzeichnen 
(30. Juni). Nur Zerboni, ein persönlicher Freund Hardenbergs, und der 
hochkonservative Heydebreck verweigerten die Unterschrift; der Oberpräsident 
von Sachsen war als Bruder des Finanzministers von vornherein aus 
dem Spiel geblieben.
	        
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