Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Bülows Entwurf vor dem Staatsrate. 209 
geblieben. Die Berliner höhnten laut über den unglücklichen Finanz— 
minister, der die Hälfte seiner Steuerpläne beseitigt, seine gesamte Amts— 
führung unbarmherzig bloßgestellt sah und durch die Schroffheit seines Auf— 
tretens, durch seine Ausfälle auf die neue Heeresverfassung den Unwillen der 
Opposition bis zum Hasse gesteigert hatte. Die Partei Humboldts verhehlte 
längst nicht mehr, daß nur die Entlassung Bülows ihr noch genügen konnte. 
In solchem Sinne schrieben Schön und Klewitz mehrmals an den Staats— 
kanzler, Sack forderte mindestens die Beschränkung der Willkür des Finanz— 
ministers durch eine beigeordnete Kommission. Auch Schuckmann, der 
während des ganzen Streites auf Bülows Seite gestanden, ward in die 
Niederlage seines Genossen mit hineingerissen. Und da sich nun plötzlich die 
Aussicht auf einen vollständigen Ministerwechsel zu öffnen schien, so richtete 
Schön, der Heißsporn der Opposition, einen leidenschaftlichen Angriff auch 
gegen Wittgenstein, der an den Verhandlungen des Staatsrates kaum 
teilgenommen hatte. Abermals maßlos übertreibend warf er dem Fürsten 
nicht bloß die schlechten Künste der geheimen Polizei vor, sondern auch den 
Fortbestand der im Jahre 1812 errichteten Gendarmerie, die sich überall 
gut bewährte: sie sei eine Waffe zur Bekriegung des Volks und gänzlich 
überflüssig neben der zahlreichen Armee. 
Sobald Hardenberg einsah, daß ein Zugeständnis an den allgemeinen 
Unmut des hohen Beamtentums unvermeidlich war, suchte er zunächst 
seinen alten Gegner Humboldt zum Eintritt in die Regierung zu bewegen. 
Der aber erwiderte scharf (14. Juli): mit Bülow und Schuckmann könne 
er niemals übereinstimmen, ja sich nicht einmal verständigen, „durch den 
einen würden die materiellen, durch den anderen die moralischen Kräfte 
des Staates gefährdet;" nur Hardenberg selbst und Boyen besäßen noch 
das Vertrauen des Volks, nur in der Kriegsverwaltung zeige sich noch 
Ernst, Ordnung, vaterländische Gesinnung; dem Ministerium fehle die 
innere Einheit wie die Selbständigkeit dem Staatskanzler gegenüber. Noch 
dringender mahnte Boyen: „der Zeitgeist fordert in den höheren Posten 
Männer des Vertrauens;" man darf nicht warten bis die Nation selber 
die Entlassung Bülows verlangt; „eine solche Verwaltung, ein solcher Mann 
kann bei längerer Fortdauer nur dem Vaterlande namenloses Verderben 
bereiten.“) 
Hardenberg aber wollte weder auf die Rechte seines Staatskanzleramts 
verzichten, noch seinen Vetter und den bei Hofe unentbehrlichen Wittgen- 
stein, dem er noch immer volles Vertrauen schenkte, kurzerhand preisgeben. 
Noch weniger wünschte der König eine durchgreifende Umgestaltung; „bei 
Veränderungen von Personen“, so äußerte er sich, „ist große Vorsicht nötig, 
man läuft Gefahr ungerecht zu sein.“ Im September erhielt Humboldt 
  
*) Humboldt an Hardenberg, 14. Juli. Boyens Gutachten über die Finanzver- 
waltung, 10. August 1817. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. U. 14
	        
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