Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Beabsichtigte Erweiterung des Zollgebiets. 219 
schienen dem Finanzministerium noch weit bedenklicher als Schutzzölle, da 
diese den Verkehr belasteten zu Gunsten der einheimischen, jene zum Vor— 
teil der ausländischen Produzenten. 
Es war nicht anders, sollte das neue Zollsystem überhaupt ins Leben 
treten, so mußten alle nicht-preußischen Waren zuvörderst auf gleichem 
Fuß behandelt werden. Allerdings wurden dadurch die deutschen Nachbarn 
sehr hart getroffen. Sie waren gewohnt einen schwunghaften Schmuggel— 
handel nach Preußen hinüber zu führen; jetzt trat die strenge Grenzbe— 
wachung dazwischen. Die Zollinien an den Grenzen der neuen Pro— 
vinzen störten vielfach altgewohnten Verkehr. Das Königreich Sachsen 
litt schwer, als die preußischen Zollschranken dicht vor den Toren Leip— 
zigs aufgerichtet wurden. Die kleinen rheinischen Lande sahen nahe vor 
Augen das beginnende Erstarken der preußischen Volkswirtschaft; was 
drüben ein Segen, ward hüben zur Last. Begreiflich genug, daß gerade 
in der unmittelbaren Nachbarschaft Preußens die Mißstimmung überhand— 
nahm. Auch die Einrichtung der Gewichtszölle war für die deutschen Nach— 
barstaaten unverhältnismäßig lästig, da das Ausland zumeist feinere, 
Deutschland gröbere Waren in Preußen einzuführen pflegte. 
Indes wenn es nicht anging, den Kleinstaaten sofort Begünstigungen 
zu gewähren, so war doch die Zollreform von Haus aus darauf berechnet 
die deutschen Nachbarn nach und nach in den preußischen Zollverband 
hineinzuziehen. „Die Unmöglichkeit einer Vereinigung für den ganzen 
Bund erkennend, suchte Preußen durch Separatverträge sich diesem Ziele 
zu nähern“ — mit diesen kurzen und erschöpfenden Worten hat Eichhorn 
zehn Jahre später den Grundgedanken der preußischen Handelspolitik be- 
zeichnet. Die Zerstückelung seines Gebietes zwang den Staat, deutsche 
Politik zu treiben, machte ihm auf die Dauer unmöglich, sich selbstgenüg- 
sam abzuschließen, seine Verwaltung zu ordnen ohne Verständigung mit 
den deutschen Nachbarlanden. Ein großer Teil der thüringischen Be- 
sitzungen Preußens, 41 Geviertmeilen mußten vorderhand aus der Zoll- 
linie ausgeschlossen bleiben. Es war eine unabweisbare Notwendigkeit, 
die Zollschranken mindestens so weit hinauszuschieben, daß das gesamte 
Staatsgebiet gleichmäßig besteuert werden konnte. In dem Zollgesetze 
selber (§ 5) war die Absicht erklärt, durch Handelsverträge den wechsel- 
seitigen Verkehr zu befördern. Die harte Besteuerung der Durchfuhr gab 
diesem Winke fühlbaren Nachdruck. Noch bestimmter sprach sich Harden- 
berg über die Absicht des Gesetzes aus, schon ehe es in Kraft trat. Als 
die Fabrikanten von Rheydt und anderen rheinischen Plätzen den Staats- 
kanzler um Beseitigung der deutschen Binnenzölle baten, gab er die Ant- 
wort (3. Juni 1818): die Vorteile, welche aus der Vereinigung mehrerer 
deutscher Staaten zu einem gemeinschaftlichen Fabrik= und Handelssystem 
hervorgehen können, seien der Regierung nicht unbekannt; mit steter Rück- 
sicht hierauf sei der Plan des Königs zur Reife gediehen. „Es liegt ganz
	        
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