244 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
sich sagen, daß nur sein persönliches Eingreifen die Union ermöglicht hatte,
und war schmerzlich überrascht, als jetzt auch die alten Heimatlande der
deutschen Synodalverfassung, die reformierten Gemeinden am Niederrhein
sich zu regen begannen. Sie hießen die Union willkommen, nur die oberst—
bischöfliche Gewalt des Königs wollten sie nicht anerkennen — zum Ent-
setzen der Beamten, die allesamt noch an den Lehren des Territorial=
systems festhielten; selbst der wohlmeinende Solms-Laubach schrieb warnend:
diese Synodalen von Jülich-Cleve-Berg seien nicht minder gefährlich als
die Ultramontanen, „Beide greifen dem Könige an Kron' und Zepter.“)
Die ungeahnte Stärke dieser zweifachen Opposition ward erst offenbar,
als der König nunmehr unternahm seiner Landeskirche eine gemeinsame
Agende zu geben. Die junge Union sollte noch schwere Jahre voll bitterer
Kämpfe und häßlicher Verirrungen überstehen bis sie sich wirklich, nach
dem Sinne ihres Stifters, als ein Friedenswerk bewährte.
So schaltete fast auf allen Gebieten des Staatslebens eine reiche, heil-
same Tätigkeit. An dem mächtigen Aufsteigen des Wohlstandes und der
Bildung während dieser langen Friedenszeit hatte das einsichtige Schaffen
des Beamtentums in Preußen wie im übrigen Deutschland ein großes,
vielleicht das größte Verdienst, und nichts bekundet so deutlich die kindliche
politische Unreisfe der Opposition jener Tage, als der Vorwurf der Un-
fruchtbarkeit, welchen die liberale Presse gegen Hardenberg zu erheben pflegte.
Während der Staatsrat über die Steuerreform verhandelte, begann in
den Provinzen, überall unter der unmittelbaren Aufsicht des Staatskanz-
lers, die neue Verwaltung ihr Werk — eine Arbeit der Wiederherstellung,
schwerer und mannigfaltiger als die Aufgaben, welche einst König Friedrich
nach dem siebenjährigen Kriege gelöst hatte.
Nirgends mußte die Pflichttreue des Beamtentums so harte Proben
bestehen wie in der Provinz Posen. So lange man noch auf die Er-
werbung von Warschau hoffte, war Hardenberg gewillt den polnischen
Provinzen eine gewisse nationale Selbständigkeit zu gewähren. Diese ge-
fährlichen Pläne fielen von selbst hinweg, als lediglich der schmale Land-
strich bis zur Prosna, ein schon fast zu zwei Fünfteln von Deutschen be-
wohntes Gebiet, an Preußen zurückkam. Da die Wiener Verträge die
Krone nur ganz im allgemeinen zur Schonung des polnischen Volkstums
verpflichteten, so wurden die von Warschau abgetretenen Landschaften durch-
aus in derselben Weise wie die anderen Erwerbungen dem preußischen Staate
eingefügt und leisteten denselben Huldigungseid. Man erkannte dies Ge-
biet nicht als unteilbar an, sondern vereinigte die Landstriche um Thorn
*) Solms-Laubach, Bericht über die Zustände in Jülich-Cleve-Berg, August 1819.