Das Deutschtum in Posen. 249
entwickeln.““) Die Regulierung der bäuerlichen Lasten wurde, sehr lang-
sam freilich, durchgeführt, zum Vorteil des Adels selber, der sich jetzt
genötigt sah aus seiner rohen Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft
überzugehen und dabei durch die neue landwirtschaftliche Kreditanstalt
(1817) eine wirksame Hilfe erhielt.
Von einem kräftigen Bürgertum fanden sich kaum Spuren in dieser
städtereichsten Provinz der Monarchie; selbst die Stadt Posen war ein öder
ungepflasterter Ort, ein Gewirr von niederen schindelgedeckten Häuschen,
wie sie heute nur noch die Wallischei-Vorstadt zieren, mitten darunter ver-
fallene Kirchen und unsaubere Adelspaläste. Auch dies begann sich zu
ändern, seit die deutschen Bürger sich von Jahr zu Jahr vermehrten und
in den zahlreichen neugegründeten Unterrichtsanstalten eine Stütze ihres
Volkstums fanden. Das polnische Gnesen wurde nach einem furchtbaren
Brande großenteils auf Kosten des Staates stattlicher wieder aufgebaut
und ehrte seinen königlichen Restaurator durch eine Denkmünze; noch
schneller hob sich das deutsche Bromberg seit der Verkehr auf dem Netze-
Kanal wieder frei ward. Während die Deutschen andern Nachbarvölkern
gegenüber nur zu oft eine haltlose Empfänglichkeit zeigten, fühlten sie sich
hier im Slavenlande allesamt stolz als Herrscher und Lehrer, als Träger
einer überlegenen Gesittung; kein Deutscher lernte polnisch wenn er nicht
mußte, denn was hatte diese arme Literatur ihm zu bieten? Auch der
verblendete Trotz der Polen arbeitete den Deutschen in die Hände. Der
Statthalter hatte versprochen, daß den Eingebornen bei gleicher Befähigung
der nächste Anspruch auf die Amter der Provinz zustehen solle. Statt
diese unbedachte Zusage auszunutzen und sich in Breslau, der Landes-
universität der neuen Provinz, für den Staatsdienst vorzubereiten, ver-
geudete die polnische Jugend ihre Kraft in den schlechten Künsten der Ge-
heimbünde. So geschah es, daß der Nachwuchs der Behörden fast allein
aus Deutschen bestand und die unfähigen Warschauer Beamten allmählich
zur Seite geschoben wurden.
Die Masse des Volks nahm an den Umtrieben des Adels geringen
Anteil. Der polnische Bauer wußte wohl, daß sein Stand noch niemals
seit es ein Polen gab glücklichere Tage gesehen hatte; dem adligen Pan
traute er nicht, der grausame Vogt der alten Zeit und die Karbatsche mit
dem eingeknoteten Blei blieben ihm unvergessen. Nur der konfessionelle
Haß entfremdete das gutmütig harmlose Volk den preußischen Beamten.
Denn der Klerus begegnete der ketzerischen Regierung von Haus aus mit
stillem Groll; er verzieh ihr nicht, daß sie die Klöster den strengen Vor-
schriften des Landrechts unterwarf, daß sie überall Volksschulen anlegte, die
in den katholischen Dörfern bisher fast unbekannt gewesen, und für die
Bildung der jungen Priester durch neue Lehranstalten sorgte. Die Ein-
*7) Adresse des Adels im Großherzogtum Posen an den König, dem Minister
von Klewitz übergeben, Sept. 1817.