Ost- und Westpreußen. 251
unter, zumal in Westpreußen, wo Schön nach seiner despotischen Art
rücksichtslos seinem eigenen Kopfe folgte. Die großen Grundherren zer—
spalteten sich in zwei Lager; die einen beschuldigten den liberalen Ober—
präsidenten, daß er aus Haß gegen den Adel die alten Familien zu Grunde
gerichtet habe, während die andern ihn ebenso leidenschaftlich als den
Erretter des Adels feierten und unbedingt auf die Worte des „großen alt—
preußischen Staatsmannes“ schwuren. Da der verarmte Staat schlechter-
dings nicht allen Provinzen gleichmäßig gerecht werden konnte, so gebot ihm
die Pflicht der Selbsterhaltung, seine Hilfe zumeist den noch ungesicherten
neuen Gebieten zuzuwenden und die alten getreuen darben zu lassen.
Den grollenden Danzigern ward daher ein großer Teil ihrer Kriegs-
schulden vom Staate abgenommen, das seiner Schuldenlast fast erliegende
Königsberg rief vergeblich um Hilfe. In Ostpreußen stand bereits seit
Anfang des Jahrhunderts der Landhofmeister von Auerswald an der Spitze
der Verwaltung, ein warmer Freund der Bauern, der schon vor dem Ge-
setze von 1807 auf seinen Gütern die Erbuntertänigkeit aufgehoben hatte
und unbefangen aussprach: der große Grundbesitz habe nicht das Ver-
trauen der Nation, er sei ärmer an Bildung als der Mittelstand. Unter
seiner Leitung wurde die Auseinandersetzung zwischen den Grundherren und
den Bauern während der nächsten Jahre durchgeführt. Schön dagegen
beförderte in Westpreußen vornehmlich das Schulwesen und den Wegebau;
darin erkannte er die beiden wirksamsten Mittel zur Hebung des Deutsch-
tums. Vierhundert Volksschulen wurden unter seiner Verwaltung von
den Gemeinden und den Grundherren gestiftet. Den polnischen Adel
wußte er in Zucht zu halten; dem Klerus gegenüber vertrat er streng,
nicht ohne Härte die Grundsätze des Landrechts und wahrte den öffent-
lichen Frieden um so erfolgreicher, da auch der Bischof Prinz von Hohen-
zollern, der noch heute unter dem Namen des guten Prinzen im Ge-
dächtnis des strenggläubigen ermeländischen Volkes fortlebt, den nationalen
Träumen der polnischen Kapläne nicht hold war. Trotz der umsichtigen
Verwaltung vernarbten die Wunden des Krieges hier in der Ostmark nur
sehr allmählich; abgetrennt von ihrem Hinterlande konnten die entlegenen
Küstenstriche schwer gesunden. Wenn der deutsche Grundherr in Litauen
von den Höhen des Memeltals die wenigen armseligen Flöße der pol-
nischen Szimken drunten auf dem mächtigen Strome erblickte, dann klagte
er, dies schöne Land gelte den Berliner Bureaus nur als der große
Remontemarkt für die Reiterregimenter. Mit bitteren Gefühlen dachten
die Altpreußen an die bevorzugten westlichen Provinzen und fragten, ob
sie denn wieder, wie in König Friedrichs Tagen, die Stiefkinder der
preußischen Krone seien. —
In Pommern gewann der neue Oberpräsident Sack das Vertrauen
der Bevölkerung bald noch vollständiger als vordem am Rhein; selbst das
unzufriedene Neuvorpommern versöhnte sich nach und nach mit dem deut-