Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

264 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
Landstrichen der Provinz, in den überwiegend protestantischen Grafschaften 
Ravensberg und Mark regte sich schon ein schwunghafter Verkehr. Die 
Bielefelder hatten ihre altberühmte Leinenweberei selbst durch die Kon— 
tinentalsperre nicht ganz zerstören lassen und eroberten sich gleich nach dem 
Frieden den amerikanischen Markt für ihre Segeltuche. Den Kohlen— 
werken und Eisenhämmern des märkischen Sauerlandes war ein wichtiger 
neuer Absatzweg eröffnet seit Stein die Ruhr schiffbar gemacht, und be— 
reits gingen jährlich an 2 ½ Mill. Ztr. Steinkohlen talwärts. Vincke 
aber sah in alledem nur die vielverheißenden Anfänge einer neuen Ent- 
wickelung; er wußte, welcher Reichtum in den Bodenschätzen seiner Hei- 
mat, in der zähen Kraft ihrer Bewohner verborgen lag, und wiederholte 
seinen Landsleuten gern den alten Lobspruch des Erasmus: kein Volk der 
Welt ist ausdauernder in der Arbeit. Er fühlte sich als Steins Erbe 
und wollte für ganz Westfalen vollenden, was dieser in der Grasschaft 
Mark begonnen hatte. Als das untere Ruhrtal mit der benachbarten 
rheinischen Provinz vereinigt wurde, erbat er sich von dem Könige die 
Gnade, daß ihm die Aufsicht über den gesamten Stromlauf verblieb, 
und ruhte nicht, bis er die Mittel erhielt zum Bau des Ruhrorter Hafens, 
des großen Ausgangstores der westfälischen Bergwerke. Zugleich traf 
er die ersten Anstalten um auch die Lippe bis nach Lippstadt hinauf der 
Schiffahrt zu erschließen. 
Schwerere Aufgaben erwarteten den Unermüdlichen in den neuen 
Gebieten. Das Herzogtum Westfalen hatte Jahrhunderte lang unter 
dem trägen Regimente des kölnischen Bistums dahingeträumt, dann 
als darmstädtische Provinz die Willkür von fünf koordinierten Oberbe- 
hörden und zahllosen Unterbeamten ertragen; hier galt es „den Stall des 
Augias zu säubern". Unbekümmert um die Klagen der Grafschaft Mark 
setzte Vincke durch, daß die Hauptstadt des westlichen Regierungsbezirks 
nicht in das rührige Hamm, sondern mitten in das rauhe Bergland 
des Oberruhrtals auf den abgelegenen Felsriegel von Arnsberg verlegt 
wurde: Ihr Markaner, meinte er, helft Euch selbst, hier im Herzogtum 
müssen wir erst das Leben erwecken.) Um die neue Beamtenstadt mit 
der Welt zu verbinden, wurde das Straßennetz, dessen Anfänge Stein in 
der Grasschaft Mark begründet hatte, rüstig ausgebaut, und schon im 
Jahre 1817 konnte Vincke nach Berlin berichten, daß der Arnsberger Re- 
gierungsbezirk 50 Meilen Chausseen und Kohlenwege zähle, während der 
gesamte Staat erst 523 Meilen Chaussee, die Provinz Pommern noch 
keine einzige Steinstraße besaß. Freilich pflegten die Straßen dieser Zeit 
noch grundsätzlich die gerade Linie zu vermeiden, dicht neben dem be- 
quemen Tale in weiten Windungen bergauf bergab zu klimmen, damit 
  
*) Vincke, allgemeine Darstellung des Zustandes vom Herzogtum Westfalen, 
9. Mai 1817. Vincke an Hardenberg, 17. Juli 1815, 15. Juli, 14. August 1816.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.