Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

284 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
uns bisher das Teuerste gewesen: unsere wohlbegründete Gerechtsame, 
unsere verfassungsmäßige Wirksamkeit, unsere gerechten Hoffnungen und 
unseren kindlichen Glauben — hat uns tief erschüttert.“ Sie forderten 
sodann, „als Repräsentanten des Volks, als bisherige Teilhaber an der 
Verwaltung und Gesetzgebung“, gehört zu werden bei der Beratung der 
neuen Verfassung. Die Stände des Fürstentums Querfurt versuchten 
zweimal eigenmächtig sich als Kreisstände zu konstituieren, was verboten 
wurde. Als die preußischen Stempelgesetze in Sachsen eingeführt wurden, 
richteten die Stände des thüringischen Kreises eine leidenschaftliche Be- 
schwerdeschrift an den König, worin sie drohend erklärten, dieser Schritt 
habe „alte Erinnerungen geweckt“". Die Bürger und Bauern hingegen er- 
hoben hier wie in Vorpommern laute Einsprache wider das Gebaren der 
adligen „Repräsentanten des Volks“. Bürgerliche Gutsbesitzer der Gör- 
litzer Gegend verlangten, indem sie den gerechten Sinn der neuen Regie- 
rung dankend anerkannten, gänzliche Umgestaltung der Landstände, da „der 
gegenwärtige Zustand nur auf den doch wohl schwachen Anker der Anti- 
quität zu stützen sei“. Die gleiche Bitte stellten die Stadtverordneten von 
Naumburg, denn „die alten Stände vertraten nur ihr eigenes Interesse, 
die ständische Verfassung verbarg unter dem Scheine der Gesetzmäßigkeit 
die ärgste Tücke“. Präsident von Schönberg aber sendete dies Schriftstück 
nach Berlin mit der Versicherung, darin sei das Urteil aller Gebildeten 
der Provinz ausgesprochen.) 
Da die Verordnung vom 22. Mai die Wiederherstellung der Pro- 
vinzialstände, „wo sie mit mehr oder minder Wirksamkeit noch vorhanden 
sind“, anbefahl, so gedachten auch die alten Stände in den Provinzen 
westlich der Elbe von dem vieldeutigen königlichen Worte Vorteil zu ziehen. 
Sie waren zwar allesamt durch Frankreich, Westfalen, Berg und Darm- 
stadt aufgehoben. Doch irgend ein verwittertes Trümmerstück aus den 
altständischen Institutionen war fast überall noch stehen geblieben; über- 
dies berief man sich auf den Artikel 24 des Tilsiter Friedens, kraft dessen 
die neuen Landesherren alle die Verpflichtungen zu erfüllen hatten, welche 
bisher dem König von Preußen obgelegen, und schloß daraus, die von den 
Rheinbundsregierungen beseitigten ständischen Rechte träten jetzt ohne wei- 
teres wieder in Kraft. Am frühesten regte sich der Adel der Grasschaft 
Mark, der schon während des Krieges um Herstellung der „alten guten 
Verfassung“ gebeten hatte. Bei der Huldigung erneuerten die Stände 
ihre Forderung: „wir sind Markaner und lieben als solche unser beson- 
deres Vaterland.“ Seitdem wurde dies Verlangen von dem Wortführer 
der Stände, Freiherrn von Bodelschwingh-Plettenberg, in unzähligen Ein- 
  
Eingabe der Stände der Niederlausitz, 4. Dezbr. 1816. Berichte der Merseburger 
Regierung, 8. August 1817, 24. Oktbr. 1819. Eingabe von bürgerlichen Gutsbesitzern der 
Oberlausitz, 1. März 1818. Eingabe der Naumburger Stadtverordneten, 31. Dez. 1816.
	        
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