Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

340 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
Ministers um so ungeduldiger, da sein eigener Lieblingsplan, der Anschlag 
auf die badische Pfalz, ohne das Wohlwollen der deutschen Großmächte 
nie gelingen konnte. 
Für diese Bestrebungen fand er einen mächtigen Bundesgenossen an 
dem gefeierten neuen Feldmarschall des bayrischen Reichs. Wrede haßte die 
norddeutschen Patrioten noch ingrimmiger als der Minister selbst; diesen 
Narren, diesen Teufel von Stein wollte er im Feldzuge von 1814 — 
so schrieb er an Montgelas — am liebsten in eine Haubitze laden um 
ihn als Geschenk an Napoleon hinüberzusenden. Vornehmlich aus ge- 
kränkter Eitelkeit war der tapfere Landsknecht im Jahre 1812 aus einem 
ergebenen Diener ein Feind Bonapartes geworden, weil ihm der Im- 
perator den großen Adler der Ehrenlegion versagte. Aber er durfte sich 
rühmen, daß er rascher als Montgelas den rechten Zeitpunkt für den 
Abfall erkannt und den Rieder Vertrag halb gegen den Willen des zau- 
dernden Ministers zu stande gebracht hatte. Seitdem hielt er sich nicht 
nur für den Feldherrn, sondern auch für den diplomatischen Retter der 
bayrischen Nation. Sein Prätorianertrotz sprach allem Anstande, ja selbst 
den Staatsgesetzen Hohn. Völlig eigenmächtig verhieß er im Feldzuge 
von 1815 den Offizieren der vier Reiterregimenter und achtzehn Legionen, 
die nur für den Krieg gebildet waren, sie sollten im Frieden nicht ent- 
lassen werden; als Montgelas nachher wegen der verzweifelten Finanzlage 
die dringend gebotene Verminderung des Heeres verlangte, trat der Feld- 
marschall im Ministerrate als „Repräsentant der Armee“ auf und setzte 
bei dem Monarchen seinen herrischen Einspruch durch. Was Wunder, 
daß ihn Montgelas den bayrischen Friedländer nannte und den neuen 
Fürstentitel dieses Schoßkindes der Fortuna mit scheelen Augen betrachtete. 
Seit dem Wiener Kongresse war Wrede ganz für Osterreich gewonnen, 
dasselbe Osterreich, das er noch kürzlich so oft in seinen donnernden 
Proklamationen als „unseren ewigen Feind“ gebrandmarkt hatte; auch 
er hielt, als geborener Pfälzer, seine begehrlichen Blicke auf Heidelberg 
und Mannheim gerichtet und wußte, daß dies Ziel nur durch die Gunst 
der Hofburg erreicht werden konnte. 
Der Haß dieser beiden mächtigen Gegner verschärfte sich noch durch 
das Verhalten des Ministers in der Verfassungssache. Obwohl der Kron- 
prinz wie der Feldmarschall mit ihrem starken despotischen Eigenwillen 
sich beide gleich wenig für das konstitutionelle Staatsleben eigneten, so 
verkannten sie doch nicht, daß nach so vielen feierlichen Verheißungen 
die Verfassung endlich zu stande kommen müsse. Montgelas dagegen 
ward mit den Jahren immer starrer in seiner bureaukratischen Gesinnung. 
Er ließ die traurige Konstitution von 1808 unausgeführt, und der Mann, 
der durch ein System unerbittlicher Zentralisation jedes selbständige Leben 
in den Provinzen vernichtet hatte, gelangte allmählich zu derselben An- 
sicht, wie die feudale Partei in Preußen: er meinte, zunächst müßte durch
	        
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