Landeskirchliche Bestrebungen. 343
wie überall, einen vollständigen Sieg davon getragen. Alle deutschen
Staaten sahen sich nunmehr auf denselben Weg gedrängt, welchen Bayern
und Württemberg schon unter dem Rheinbunde eingeschlagen hatten: sie
mußten, einzeln oder in Gruppen, mit dem römischen Hofe verhandeln
um die Errichtung neuer Landesbistümer durchzusetzen. In diesem wohl—
berechtigten Wunsche waren die Höfe allesamt einig. Denn nach den
zahllosen Grenzverschiebungen der letzten Jahre konnten die Diözesen des
heiligen Reichs schlechterdings nicht mehr unverändert bleiben; die alten
Bistümer waren überdies sämtlich, bis auf fünf, verwaist und befanden
sich, da die Sekularisationen der katholischen Kirche Deutschlands ein jähr—
liches Einkommen von mindestens 21 Mill. Fl. entrissen hatten, durchweg
in einer wirtschaftlichen Not, welche allein durch die Hilfe der Staats—
gewalt geheilt werden konnte.
Auch die preußischen Staatsmänner, die auf dem Wiener Kongresse
so lebhaft für die gemeinsame deutsche Kirchenpolitik eingetreten waren,
mußten jetzt diesen Gedanken, gleich den Bundeszollplänen und so manchen
anderen patriotischen Entwürfen jener hoffnungsvollen Tage, als unaus-
führbar fallen lassen. Die preußische Bundesgesandtschaft wurde ange-
wiesen, keine Einmischung des Bundes in kirchliche Dinge zu dulden, schon
weil Preußen nimmermehr die Anwesenheit eines Nuntius in Frankfurt
gestatten dürfe; der König denke vielmehr selbständig vorzugehen und durch
freisinnige Gewährungen den anderen deutschen Staaten ein Muster
zu geben.“) Humboldt schlug dann noch vor, der preußische Staat solle die
Rechte, welche er der römischen Kirche zu gewähren gedenke, förmlich unter
den Schutz des Bundes stellen und dafür fordern, daß auch die Rechte
der Protestanten in den katholischen Staaten durch die Bürgschaft des
Bundes gesichert würden. Der Staatskanzler aber lehnte den Vorschlag
ab; er sah voraus, daß weder Osterreich noch Bayern jemals auf einen
Plan eingehen konnten, welcher der Krone Preußen die Stellung des
Protektors der deutschen Protestanten verschafft hätte. Da Bayern nun
doch seines eigenen Weges zog und Osterreich von vornherein aus dem
Spiele blieb, so konnte Hardenberg auch von einer gemeinsamen Ver-
handlung mit den Kleinstaaten sich keinen Erfolg versprechen; die Ab-
sichten der verschiedenen Höfe gingen allzu weit auseinander. Der preu-
Whische Staat beherrschte allein mehr katholische Untertanen als Bayern
und die kleinen Staaten zusammen; er allein hatte schon unter dem alten
Reiche Landesbischöfe gehabt und sich in der Schule einer reichen Er-
fahrung feste kirchenpolitische Grundsätze gebildet, die mit einigen Ande-
rungen auch dem Bedürfnis der Gegenwart genügen konnten. Die kleinen
protestantischen Dynastien des Westens dagegen, Württemberg, Baden,
Hessen, Nassau waren mit einem Male in den Besitz ausgedehnter katho-
*) Instruktion für die Bundesgesandtschaft, 30. Nov. 1816, § 31.