Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

350 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
und schrieb dem Staatskanzler, der alle kirchlichen Händel mit gespann- 
ter Aufmerksamkeit verfolgte: „der Klerus wird die diesem Boden erst 
seit ganz neuer Zeit zuteil gewordene Aufklärung wieder in das Dunkel 
und Verderben des Aberglaubens herunterstürzen.““) Die Kurie froh- 
lockte und sprach dem Könige „gebührendes Lob“ aus. Max Joseph aber 
vergaß seiner Würde so gänzlich, daß er brieflich beim Papste den Kar- 
dinalshut für den ungetreuen Gesandten Häffelin erbat. Die Bitte ward 
erfüllt, unter dem Unwillen aller guten Bayern; selbst die Kardinäle 
klagten, auf solchen Schultern werde der Purpur entweiht. 
Einen so glänzenden Triumph konnte der Vatikan der Welt nicht 
lange vorenthalten. Schon im Dezember wurde das Konkordat durch 
die Kurie einseitig veröffentlicht, und sofort veranlaßte der Eichstädter 
Bund die höchsten geistlichen Behörden, der Krone ihren Dank auszu- 
sprechen. Das Generalvikariat in Bamberg verlangte das Einschreiten 
der Behörden gegen eine fränkische Zeitung, die sich der Sache Wessen- 
bergs annahm; unter den Heißspornen der klerikalen Partei vernahm 
man bereits die Forderung: alle Kinder gemischter Ehen und alle Find- 
linge sollten der römischen Kirche überwiesen und der Ubertritt zum 
Katholizismus jedem ohne Unterschied des Alters freigestellt werden. 
Unerhörte Ansprüche, die sich doch mit gutem Grunde auf die Eingangs- 
worte des Konkordats berufen konnten! Die Protestanten sahen das Dasein 
ihrer Kirche selbst bedroht; welches Recht der Evangelischen stand denn 
noch fest, wenn wirklich die kanonischen Vorschriften allen bayrischen Staats- 
gesetzen vorgingen? Die Konsistorien und viele protestantische Städte be- 
schworen den König in beweglichen Bittschriften um Aufrechterhaltung der 
paritätischen Grundsätze des Religionsedikts von 1809; auch der Hof- 
prediger der Königin Schmitt erhob seine mächtige Stimme, niemand aber 
schürte die Bewegung eifriger als Anselm Feuerbach, der seinem Beinamen 
Vesuvius wieder einmal Ehre machte. Unter den Katholiken trat Ignaz 
Rudhart mit gewohntem Freimut für die bedrohte Parität aufj; selbst 
viele Geistliche verhehlten ihre Besorgnisse nicht. 
Die Aufregung hielt an und wuchs, da gleichzeitig in Frankreich ein 
Sturm gegen das neue von Blacas abgeschlossene Konkordat losbrach, und 
die Süddeutschen bereits anfingen jedem Wellenschlage der öffentlichen 
Meinung im Nachbarlande gelehrig zu folgen. Auch der Kronprinz begann, 
trotz seiner romantischen Phantasien, doch bedenklich zu werden und er- 
innerte den Vater an das Vorbild seines Ahnherrn Ludwigs des Bayern. 
Max Joseph selbst schämte sich seiner Schwäche; er konnte es nicht leugnen, 
dies Konkordat war ein Abfall nicht bloß von den Grundsätzen seiner 
eigenen Kirchenpolitik, sondern auch von allen guten Traditionen der 
alten Wittelsbacher. Aber nachdem er sein königliches Wort feierlich ver- 
  
*) Zastrows Bericht, 10. Dezbr. 1817.
	        
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