Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

352 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
Innern nahm er dem Grafen Thürheim bald alle Arbeitslast und damit 
die Herrschaft aus den Händen. Er wurde der Neuordner des bayrischen 
Beamtentums, brachte zuerst wieder einige Zucht und Pünktlichkeit in 
den verwahrlosten Dienst und erwies allen, die den hellblauen Amts— 
frack trugen, nachdrücklich, daß sie Gunst und Ehre allein von ihm zu 
erwarten hatten. Einem solchen Manne konnte das parlamentarische Leben 
nicht verlockend erscheinen; doch er begriff, daß die junge Krone der Volks— 
gunst, die unfertige Staatseinheit einer neuen Klammer bedurfte, und 
traute sich die Kraft zu, den Geist des Absolutismus auch unter den 
konstitutionellen Formen aufrecht zu erhalten. Durch ihn ward die Ver— 
fassungsarbeit überraschend schnell gefördert, so daß man den badischen 
Mitbewerber um mehrere Monate überholte. 
Am 26. Mai ritt der blauweiße Reichsherold durch die Straßen 
Münchens um siebenmal ein königliches Manifest zu verlesen, das die 
Verleihung des neuen Grundgesetzes verkündigte und „die dankbare An- 
erkennung dieser landesväterlichen Handlung von den Herzen aller Bayern“ 
beanspruchte. So war denn Bayern der erste größere Bundesstaat, der 
die Verheißung der Bundesakte im Geiste der herrschenden konstitutionellen 
Doktrin erfüllte. Mit kindlicher Freude nahm das Land die Gabe seines 
Königs auf; selbst das brandenburgische Franken zeigte jetzt zum ersten 
Male eine Anwandlung wittelsbachischer Gesinnung. Ein allegorisches 
Bild, das die Vertreter des Wehr-, Lehr= und Nährstandes in zärtlichem 
Reigen die Königskrone umtanzend darstellte, gab den Gefühlen des Volkes 
einen angemessenen Ausdruck. Wenn sich nur mit dieser erklärlichen Be- 
friedigung nicht ein so widerwärtiger partikularistischer Hochmut vermischt 
hättel Bei jedem Erfolge der konstitutionellen Bewegung im Süden ergoß 
sich eine Flut des Hohnes auf das zurückgebliebene Preußen, und die 
alten Rheinbundsgedanken tauchten in liberalem Gewande wieder auf. 
Kaum waren nach Montgelas' Fall die Hoffnungen der bayrischen Ver- 
fassungsfreunde wieder erwacht, so übergab Feuerbach dem Minister Rech- 
berg schon eine Denkschrift über einen Fürstenbund aller Kleinstaaten, der, 
auf England, Dänemark, Holland gestützt, seinen natürlichen Feind Preußen 
in der Mitte zerspalten und „das freundlich große Bild freier Ver- 
fassungen“ den Völkern der beiden Großmächte als Gegenstand der Sehn- 
sucht, ihren Regierungen als Medusenhaupt vor die Augen halten sollte. 
Das freundlich große Bild der bayrischen Verfassung entsprach in 
der Tat billigen Erwartungen. Sie gewährte die Gleichheit vor dem 
Gesetze und eine nicht allzu ängstlich beschränkte Preßfreiheit. Bei der Zu- 
sammensetzung der beiden Kammern war die altgewohnte ständische Gliede- 
rung schonend berücksichtigt: die Kammer der Reichsräte sollte aus den 
Großwürdenträgern des Reichs, aus erbberechtigten adligen Grundherren 
und einer Minderzahl von der Krone ernannter Mitglieder bestehen, die 
Abgeordnetenkammer zu einem Viertel von dem kleinen Grundadel und
	        
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