Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

358 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
mit der norddeutschen Bildung nie verloren; wie sollte das Franzosentum 
des Überrheins hier Wurzeln schlagen, wo man die Hunde mit den Namen 
der gallischen Mordbrenner Duras und Melac rief? Von badischer Staats- 
gesinnung aber zeigte sich noch keine Spur; auch die alte Hochschule wollte 
immer nur dem ganzen Vaterlande angehören, obgleich sie ihre neue 
Blüte dem badischen Fürstenhause verdankte. In Mannheim, der Re- 
sidenz der letzten Kurfürsten, bestand noch eine starke Wittelsbachische Partei, 
die den begehrlichen Plänen des Münchener Hofes willig entgegenkam. 
Die alten pfalzbayrischen Beamten und der sittenlose Adel sehnten sich zurück 
nach dem frivolen Hofe Karl Theodors; auch die Bürgerschaft hatte in 
jenen lustigen Tagen viel verdient und beklagte überdies den Verfall 
ihres Theaters, das einst unter Dalbergs und Ifflands Leitung mit den 
besten Bühnen Deutschlands gewetteifert und Schillers Räuber zuerst 
aufgeführt hatte. Die neue Landeshauptstadt Karlsruhe wollte in der 
Pfalz niemand gelten lassen. Der langweilige Ort, hundert Jahre zuvor 
durch die Laune des Markgrafen Karl Wilhelm gerade an der häßlichsten 
Stelle des schönen Landes gegründet, wuchs noch immer sehr langsam 
aus den Alleen des Hardtwaldes heraus; die eintönigen Häuserzeilen 
des regelrechten Straßenfächers erschienen nur noch öder, seit Weinbrenner 
sie mit seinen Tempelbauten schmückte und den Beweis führte, daß unter 
allen Formen des Zopfstils keine so geistlos ist wie der klassische Zopf. 
So starke widerstrebende Kräfte im Frieden einem neuen Gemein- 
wesen einzufügen konnte nur dem persönlichen Ansehen des ehrwürdigen 
alten Karl Friedrich gelingen. Der greise Herr galt seit langem als das 
Muster eines kleinen Landesvaters. Durchaus aufgeklärt und duldsam, ein 
Freund Karl Augusts von Weimar, hielt er doch seinen altväterischen 
Christenglauben fest und begünstigte unter den Talenten der neuen Lite- 
ratur vornehmlich jene, die ein warmes religiöses Gefühl zeigten, Klopstock, 
Herder, Lavater, Jung Stilling; empfänglich für die Ideen des neuen 
Frankreichs, ein Bewunderer der physiokratischen Wirtschaftslehre, blieb 
er doch ein kerndeutscher Mann, immer darauf bedacht, wie durch einen 
Fürstenbund dem wankenden alten Reiche neues Leben gebracht, durch 
eine deutsche Akademie „der Allgemeingeist“ der Nation geweckt werden 
könne, und es war wahrlich ein unverdientes, grausames Schicksal, daß 
dieser treue Patriot am Abend seines Lebens den Fluch der Kleinstaaterei 
erfahren und schweren Herzens die Fesseln des Fremdlings tragen mußte. 
Er förderte die Bildung und den Wohlstand seines Landes durch eine 
umsichtige Gesetzgebung, die in Süddeutschland ohnegleichen dastand, und 
verstand sich auch auf die Sprache des Herzens, welche dem patriar- 
chalischen Völkchen unserer Kleinstaaten von jeher noch wertvoller war 
als das politische Verdienst. In jedem altbadischen Wirtshause hing 
die „Badische Landestafel“: das Bild des Fürsten und darunter seine 
väterliche Antwort auf die Danksagungen, welche ihm sein Land nach der
	        
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