A. v. Arnim. Callot-Hoffmann. 29
stücke: phantastische Geschichten von Dämonen und Gespenstern, von Träu-
men und Wundern, von Wahnsinn und Verbrechen, das Ungeheuerlichste
was je ein überreiztes Hirn ersann. Es war als ob die Teufelsfratzen
von den Dachtraufen unserer alten Dome herunterstiegen. Der wüste
Spuk drängte sich so nahe, so sinnlich greifbar auf, daß der Leser, wie
vom Alpdruck gelähmt, still halten mußte und dem kecken Humor, der
diabolischen Grazie des meisterhaften Erzählers alles glaubte. Zuletzt blieb
von dem tollen Spiele freilich nichts zurück als die dumpfe Betäubung
des physischen Schreckens. —
Derweil in Drama und Roman so viele Irrwische ihr unstetes Wesen
trieben, erreichte die lyrische Dichtung der Romantik durch Ludwig Uhland
ihre Vollendung. Die Kritiker der Schule sahen den prosaischen Menschen
über die Achseln an, als seine Gedichte im Jahre 1814 zuerst heraus-
kamen. Recht als das Gegenbild romantischer Geniesucht erschien dieser
ehrenfeste Kleinbürger: wie er in Paris den Tag hindurch treufleißig in
den Manuskripten der altfranzösischen Dichtung forschte und abends
schweigsam in Gesellschaft des ebenso schweigsamen Immanuel Bekker die
Boulevards entlang ging, mit offenem Munde und geschlossenen Augen,
ganz unberührt von dem lockenden Glanz und den Versuchungen rings-
um; wie er dann in dem heimatlichen Neckarstädtchen seinen behäbigen
wohlgeordneten Haushalt führte und sich nicht zu gut dünkte an den
prosaischen Verfassungskämpfen Württembergs mit Wort und Tat teil-
zunehmen. Und doch war es gerade diese gesunde Natürlichkeit und bür-
gerliche Tüchtigkeit, was den schwäbischen Dichter befähigte die Schranken
der Kunstformen weise einzuhalten und den romantischen Idealen eine
lebendige, dem Bewußtsein der Zeit entsprechende Gestaltung zu geben.
Ein denkender Künstler, blieb er doch völlig gleichgiltig gegen das lite-
rarische Gezänk und die ästhetischen Doktrinen der Schule und harrte
geduldig bis die Zeit der Dichterwonne kam, die ihm des Liedes Segen
brachte. Dann wendete er die kritische Schärfe, welche andere Poeten in
den Literaturzeitungen vergeudeten, unerbittlich gegen seine eigenen Werke;
kein anderer deutscher Dichter hat mit so sprödem Künstlerstolze alles
Halbfertige und Halbgelungene im Pulte zurückbehalten. Die Helden-
gestalten unserer alten Dichtung, des Waltherliedes und der Nibelungen,
erweckten zuerst seine poetische Kraft; an den Gedichten des Altertums
vermißte er den tiefen, die Phantasie in die Weite lockenden Hintergrund;
doch ein angeborener, streng geschulter Formensinn bewahrte ihn vor der
unklaren Uberschwänglichkeit der mittelalterlichen Poesie. In festen,
sicheren Umrissen traten diesem Klassiker der Romantik seine Gestalten
vor die Seele.
Während die älteren Romantiker meist durch den phantastischen Reiz
des Fremdartigen und Altertümlichen in die deutsche Vorzeit hinüber-
gezogen wurden, suchte Uhland in der Vergangenheit das rein Mensch-