362 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe.
das Verhängnis eines untergehenden Staats.“) Nunmehr war aus der
älteren Linie der Zähringer nur noch ein Erbe am Leben, der unverhei—
ratete Oheim des Großherzogs, Markgraf Ludwig; starb auch dieser, so
kam die Krone an den Grafen Leopold von Hochberg, dem der Münchener
Hof die Thronfolge bestritt.
Nur der Schutz der großen Mächte vermochte die Dynastie vor dem
Untergange zu bewahren; gleichwohl konnte der Großherzog sich nicht zur
Entlassung des elenden Ministers entschließen, der an der verzweifelten
Lage des Landes die Hauptschuld trug und bei allen Höfen im schlech-
testen Rufe stand. Freiherr von Hacke, ein roher, frivoler Schlemmer
aus der Schule des alten Mannheimer Hofs, war dem Imperator ein
williger Scherge gewesen und trieb auch jetzt noch, soweit seine unver-
besserliche Trägheit dies vermochte, rheinbündische Politik: schon auf dem
Pariser Friedenskongresse hatte er versucht einen Sonderbund der Mittel-
staaten zu stiften, dem Bundestage gegenüber verfuhr er als verstockter
Partikularist. Die bayrischen Ansprüche behandelte er mit unverantwort-
lichem Leichtsinn, selbst die Abtretung der Pfalz gegen ein Stück Geldes
schien ihm nicht unannehmbar, und der preußische Geschäftsträger Varn-
hagen schrieb dem Staatskanzler: „soll das Großherzogtum Baden be-
stehen, so muß es gleichsam dazu gezwungen werden.““)
Auch die Verfassungsangelegenheit rückte nicht von der Stelle. Auf
die dringenden Vorstellungen Steins und des Zaren Alexander hatte
der Großherzog noch von Wien aus eine Kommission zur Beratung des
neuen Grundgesetzes einberufen, und diese brachte im Frühjahr 1815
eine Verfassung zustande, auf Grund eines Entwurfes, den ihr der
Freiherr von Marschall, ein wackerer Patriot aus Karl Friedrichs guter
Zeit, vorgelegt. Aber der Kriegslärm des folgenden Sommers warf alles
wieder über den Haufen. Darauf regte sich der Adel des Unterlandes
und forderte in wiederholten drohenden Eingaben die Erfüllung des Art. 13,
ganz so trutzig wie einst die Landschaden von Steinach und die anderen
ritterlichen Genossen des Sickingers zu ihren Nachbarfürsten geredet
hatten; Massenbach und Graf Waldeck, die ständischen Demagogen aus
Württemberg, halfen eifrig mit; auch aus bürgerlichen Kreisen liefen
mahnende Bittschriften ein. Die Regierung aber suchte, nach altem Rhein-
bundsbrauche, die klagenden Ritter mit harten Strafen heim, und der
Heidelberger Strafrechtslehrer Martin mußte seinen Lehrstuhl verlassen.
Indes kam die Verfassungsarbeit doch wieder in Gang; im März 1816
verhieß der Großherzog seinem Volke feierlich die Einberufung einer
Ständeversammlung auf den 1. August, und im Laufe des Sommers
wurde in der Tat ein dritter und ein vierter Entwurf ausgearbeitet.
*) Varnhagens Bericht, Karlsruhe 11. Mai 1817.
**) Varnhagens Bericht, 4. Januar 1817.