382 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe.
darmstädtischen Beamtentums blieb. Die Hauptstadt verdankte dem kunst—
sinnigen Fürsten das Theater, die Bibliothek, das Museum, das Erwachen
eines regeren geistigen Lebens; auf dem anmutigen Lustschloß ihres
patriarchalischen Herrn, auf dem Fürstenlager im Odenwalde, hielten die
guten Familien Darmstadts alljährlich ihre Sommerfrische.
Gleich den anderen süddeutschen Fürsten hatte der Großherzog auf
dem Wiener Kongresse eingesehen, daß eine ständische Verfassung unver-
meidlich war. Aber als er nun heimkehrte und mit der schwierigen Einver-
leibung Rheinhessens vollauf zu tun fand, da verschob er den entscheiden-
den Beschluß von Jahr zu Jahr. Unterdessen begann das von den Hunger-
jahren schwer heimgesuchte Land unruhig zu werden; der Steuerdruck und
die Willkür des Beamtentums war nicht mehr zu ertragen. Unehrerbietige,
drohende Bittschriften mahnten den Großherzog an sein Versprechen, radi-
kale Flugblätter vertrösteten das Landvolk auf die nahende Revolution.
Auf der Gießener Hochschule stießen die Parteien hart aneinander; der
geistvolle Philolog F. G. Welcker mußte seinen Lehrstuhl verlassen, weil er
sich mit dem berüchtigten Bonapartisten Crome nicht vertragen konnte.
Endlich wagte man gar große Landesversammlungen abzuhalten, die den
Fürsten um die ersehnte Konstitution, das sichere Heilmittel aller irdischen
Nöte baten. Noch immer vergeblich.
So war die Lage des Südens im Herbst 1818. In Württemberg
und Hessen bedenkliche Gärung; in Bayern und Baden lautes Frohlocken
über die glücklich errungene neue Verfassung und kindliche Träume von
der wunderbaren Freiheit, die da kommen sollte. Und dazu in der akademi-
schen Jugend eine brausende Bewegung, die den geängsteten Regierungen
das Nahen eines allgemeinen Umsturzes zu verkünden schien.