Der Dreikaiserbund. Die Gortschakowsche Intrige. 231
auch für Rußland, um aus der Politik der persönlichen Freund-
schaft der beiden Kaiser einen Uebergang zu der des kühlen russi-
schen Staatsinteresses zu finden, das 1814 und 1815 bei Ab-
steckung des französischen Gebiets maßgebend gewesen war. Daß
es für die russische Politik eine Grenze giebt, über die hinaus.
das Gewicht Frankreichs in Europa nicht vermindert werden darf,
ist erklärlich. Dieselbe war, wie ich glaube, mit dem Frankfurter
Frieden erreicht, und diese Thatsache war vielleicht 1870 und 1871
in Petersburg noch nicht in dem Maße zum Bewußtsein gekommen,
wie fünf Jahre später. Ich glaube kaum, daß das russische Cabinet
während unfres Krieges deutlich vorausgesehn hat, daß es nach
demselben ein so starkes und consolidirtes Deutschland zum Nachbar
haben würde. Im Jahre 1875 nahm ich an, daß an der Newa
schon einige Zweifel darüber herrschten, ob es richtig gewesen sei,
die Dinge so weit kommen zu lassen, ohne in die Entwicklung einzu-
greifen. Die aufrichtige Freundschaft und Verehrung Alexanders II.
für seinen Oheim deckten das Unbehagen, das die amtlichen Kreise
bereits empfanden. Hätten wir damals den Krieg erneuern
wollen, nur um das kranke Frankreich nicht genesen zu lassen, so.
würde unzweifelhaft nach einigen mißlungenen Conferenzen zur
Verhütung des Krieges unfre Kriegführung sich in Frankreich in
der Lage befunden haben, die ich in Versailles bei der Ver-
schleppung der Belagerung befürchtet hatte. Die Beendigung des.
Krieges würde nicht durch einen Friedensschluß unter vier Augen,
sondern in einem Congresse zu Stande gekommen sein, wie 1814
unter Zuziehung des besiegten Frankreich und vielleicht bei der
Mißgunst, der wir ausgesetzt waren, ebenso wie damals unter
Leitung eines neuen Talleyrand.
Ich hatte schon in Versailles befürchtet, daß die Betheiligung
Frankreichs an den Londoner Conferenzen über die das Schwarze
Meer betreffenden Clauseln des Pariser Friedens dazu benutzt werden
könnte, um mit der Dreistigkeit, die Talleyrand in Wien bewiesen
hatte, die deutsch-französische Frage als Pfropfreis auf die pro-