Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

398 II. 7. Die Burschenschaft. 
fühlten sich beglückt, als ihr händelsüchtiger Herzog Anton Ulrich, um 
den Vettern in Weimar und Gotha das erhoffte Erbe zu entziehen, noch 
in seinen sechziger Jahren eine zweite Ehe schloß und dann aus eitel 
Bosheit noch acht Kinder erzeugte. Gotha und Altenburg, lange unter 
einem Herzogshute vereinigt, behaupteten sich unerschütterlich als zwei 
selbständige Staaten, erkannten nicht einmal gegenseitig ihre Münzen an; 
und nur der Willenskraft Karl Augusts gelang es nach schweren Kämpfen 
die drei Fürstentümer Weimar, Jena und Eisenach zu einem Gesamt- 
staate zu vereinigen. Die natürliche Hauptstadt des Landes, Erfurt, 
hatte unter der Herrschaft des Mainzer Krummstabs immer eine Sonder- 
stellung in ihrer protestantischen Umgebung eingenommen und führte 
nachher, seit dem Untergange ihrer Universität das stille Dasein einer 
Festungs= und Beamtenstadt. 
So rieselte das politische und geistige Leben in dünnen Bächlein 
zerteilt dahin. Unter den größeren Städten fand sich fast keine, die 
nicht einmal einem fürstlichen Hause zum Wohnsitz gedient hätte, aber 
keine dieser winzigen Residenzen kam aus der Dürftigkeit lakaienhafter 
Kleinstädterei hinaus. Uberall die Ansätze eines reicheren geistigen 
Schaffens, kleine Sammlungen und gemeinnützige Anstalten, sieben öffent- 
liche Bibliotheken nahe bei einander, nirgends etwas Ganzes und Großes. 
Das Land war mit Schlössern, Parks und Wildgehegen übersäet wie 
kein anderer Gau im schlösserreichen Deutschland. Manche dieser Fürsten- 
sitze blieben dem Volke durch bedeutsame Erinnerungen teuer, so die 
Wartburg und der vielumkämpfte Friedenstein, so Altenburg, die Stätte 
des Prinzenraubes, so die Feste Coburg, wo Luther sein Asyl gefunden, und 
die Fröhliche Wiederkunft, wo Johann Friedrich beim edlen Waidwerk sich 
von den Angsten der spanischen Haft erholt hatte. Viele andere aber 
erzählten nur von den possierlichen Schrullen eines unbeschäftigten Klein- 
fürstenstandes, der mit seiner Zeit und Kraft nichts anzufangen wußte; 
hier hatte einer der Schwarzburgischen Günther seiner Gemahlin zum 
Possen in den Waldbergen der Hainleite das Jagdschloß „der Possen“ 
erbaut, dort Christian von Weißenfels zur Verewigung seiner Cäsaren- 
größe sein eigenes Konterfei erst dreimal in riesigen Reliefs an den 
roten Felsmauern der Weinberge des Unstruttals, umgeben von Vater 
Noah und herbstenden Winzern, dann noch einmal als vergoldetes 
Reiterstandbild auf dem Freiburger Markte aushauen lassen. 
Untertänige Federn nannten das anmutige Land einen von Fürsten- 
händen gepflegten Garten Gottes; in Wahrheit blieb die treufleißige 
Sorgsamkeit der kleinen Landesväter bis tief in das achtzehnte Jahr- 
hundert hinein sehr unfruchtbar. Die Geister verknöcherten unter der 
langjährigen Herrschaft des harten Luthertums. Einzelne Fürsten, wie 
Ernst der Fromme von Gotha, verstanden wohl ein kräftiges kirchliches 
Leben zu wecken, den meisten war die Theologie nur ein geistloser Zeit-
	        
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