Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Das Feuergericht auf dem Wartenberge. 427 
beschlossen nunmehr den Plan des Meisters auf eigene Faust auszuführen, 
was der Ausschuß um des Friedens willen nicht geradezu verbieten wollte. 
Kaum war auf dem Wartenberge das letzte ernste Lied der die Flammen 
umringenden Burschen verklungen und die eigentliche Feier beendet, so 
trat Maßmann plötzlich hervor und forderte in einer schwülstigen Rede 
die Brüder auf, zu schauen, wie nach Luthers Vorbilde in zehrendem 
Fegefeuer Gericht gehalten werde über die Schandschriften des Vater— 
landes. Jetzt sei die heilige Stunde gekommen, „daß alle deutsche Welt 
schaue was wir wollen; daß sie wisse, wes sie dereinst sich von uns zu 
versehen habe.“ 
Darauf trugen seine Gesellen einige Ballen alten Druckpapieres her— 
bei, die mit den Titeln der verfehmten Bücher beschrieben waren. Auf 
eine Mistgabel aufgespießt flogen dann die Werke der Vaterlandsverräter 
unter tobendem Gejohle in das höllische Feuer: eine wunderlich gemischte 
Gesellschaft von etwa zwei Dutzend guten und schlechten Büchern, alles 
was gerade in jüngster Zeit den Zorn der Isis und ähnlicher Blätter her— 
vorgerufen hatte. Da brannten Wadzeck, Scherer und, der Vollständigkeit 
halber, gleich „alle anderen schreibenden, schreienden und schweigenden Feinde 
der löblichen Turnkunst“, desgleichen die Alemannia „und alle andern 
das Vaterland schändenden und entehrenden Zeitungen“; dann natür— 
lich drei Schriften von dem verhaßten Schmalz („Gänse-, Schweine- und 
Hundeschmalz“ brüllte der Chor) und der Kodex der Gendarmerie von 
seinem Genossen Kamptz. Neben dem Code Napoleon, Kotzebues Deut— 
scher Geschichte und Saul Aschers Germanomanie, der ein „Wehe über 
die Juden“ nachgerufen ward, wanderte auch Hallers Restauration in die 
Flammen: — „der Gesell will keine Verfassung des deutschen Vater— 
landes“, hieß es zur Erläuterung, da doch keiner von den Burschen das 
ernste Buch gelesen hatte. Aber auch die Liberalen Benzenberg und 
Wangenheim mußten den Grimm der Jugend erfahren, weil die Jenenser 
Publizisten ihre Schriften nicht verstanden. Zuletzt wurden noch ein 
Ulanenschnürleib, ein Zopf und ein Korporalstock verbrannt, als „Flügel— 
männer des Kamaschendienstes, die Schmach des ernsten heiligen Wehr— 
standes“, und mit einem dreimaligen Pere-Pereat auf „die schuft'gen 
Schmalzgesellen“ gingen die Vehmrichter auseinander. 
Es war eine unbeschreiblich abgeschmackte Posse, an sich nicht ärger 
als viele ähnliche Ausbrüche akademischer Roheit, bedenklich nur durch 
den maßlosen Hochmut und die jakobinische Unduldsamkeit, die sich in 
den Schimpfreden der jungen Leute ankündigten. Darum sprach sich Stein 
in den schärfsten Worten über „die Fratze auf der Wartburg“ aus, und 
der immer schwarzsichtige Niebuhr schrieb besorgt: „Freiheit ist ganz un— 
möglich, wenn die Jugend ohne Ehrerbietung und Bescheidenheit ist.“ 
Seine Wahrhaftigkeit fühlte sich angeekelt von dieser „religiösen Komödie“: 
dort der kühne Reformator, der sich gegen die höchste und heiligste Gewalt
	        
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