Das Feuergericht auf dem Wartenberge. 427
beschlossen nunmehr den Plan des Meisters auf eigene Faust auszuführen,
was der Ausschuß um des Friedens willen nicht geradezu verbieten wollte.
Kaum war auf dem Wartenberge das letzte ernste Lied der die Flammen
umringenden Burschen verklungen und die eigentliche Feier beendet, so
trat Maßmann plötzlich hervor und forderte in einer schwülstigen Rede
die Brüder auf, zu schauen, wie nach Luthers Vorbilde in zehrendem
Fegefeuer Gericht gehalten werde über die Schandschriften des Vater—
landes. Jetzt sei die heilige Stunde gekommen, „daß alle deutsche Welt
schaue was wir wollen; daß sie wisse, wes sie dereinst sich von uns zu
versehen habe.“
Darauf trugen seine Gesellen einige Ballen alten Druckpapieres her—
bei, die mit den Titeln der verfehmten Bücher beschrieben waren. Auf
eine Mistgabel aufgespießt flogen dann die Werke der Vaterlandsverräter
unter tobendem Gejohle in das höllische Feuer: eine wunderlich gemischte
Gesellschaft von etwa zwei Dutzend guten und schlechten Büchern, alles
was gerade in jüngster Zeit den Zorn der Isis und ähnlicher Blätter her—
vorgerufen hatte. Da brannten Wadzeck, Scherer und, der Vollständigkeit
halber, gleich „alle anderen schreibenden, schreienden und schweigenden Feinde
der löblichen Turnkunst“, desgleichen die Alemannia „und alle andern
das Vaterland schändenden und entehrenden Zeitungen“; dann natür—
lich drei Schriften von dem verhaßten Schmalz („Gänse-, Schweine- und
Hundeschmalz“ brüllte der Chor) und der Kodex der Gendarmerie von
seinem Genossen Kamptz. Neben dem Code Napoleon, Kotzebues Deut—
scher Geschichte und Saul Aschers Germanomanie, der ein „Wehe über
die Juden“ nachgerufen ward, wanderte auch Hallers Restauration in die
Flammen: — „der Gesell will keine Verfassung des deutschen Vater—
landes“, hieß es zur Erläuterung, da doch keiner von den Burschen das
ernste Buch gelesen hatte. Aber auch die Liberalen Benzenberg und
Wangenheim mußten den Grimm der Jugend erfahren, weil die Jenenser
Publizisten ihre Schriften nicht verstanden. Zuletzt wurden noch ein
Ulanenschnürleib, ein Zopf und ein Korporalstock verbrannt, als „Flügel—
männer des Kamaschendienstes, die Schmach des ernsten heiligen Wehr—
standes“, und mit einem dreimaligen Pere-Pereat auf „die schuft'gen
Schmalzgesellen“ gingen die Vehmrichter auseinander.
Es war eine unbeschreiblich abgeschmackte Posse, an sich nicht ärger
als viele ähnliche Ausbrüche akademischer Roheit, bedenklich nur durch
den maßlosen Hochmut und die jakobinische Unduldsamkeit, die sich in
den Schimpfreden der jungen Leute ankündigten. Darum sprach sich Stein
in den schärfsten Worten über „die Fratze auf der Wartburg“ aus, und
der immer schwarzsichtige Niebuhr schrieb besorgt: „Freiheit ist ganz un—
möglich, wenn die Jugend ohne Ehrerbietung und Bescheidenheit ist.“
Seine Wahrhaftigkeit fühlte sich angeekelt von dieser „religiösen Komödie“:
dort der kühne Reformator, der sich gegen die höchste und heiligste Gewalt