Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

430 II. 7. Die Burschenschaft. 
wie alles wahrhaft Große nie in der Geschichte wiederkehren und in 
seinem dunklen Schoße fruchtbare, auf Jahrhunderte wirkende Keime ent— 
halten kann!“ 
An diesen Ausbrüchen akademischen Größenwahnsinns hatte die klein— 
liche Empfindlichkeit der Gegner reichliche Mitschuld. Die Zeit war an 
die Gehässigkeit politischer Kümpfe noch wenig gewöhnt, fast alle die be— 
schimpften Schriftsteller fühlten sich durch die Narretei der Burschen 
ernstlich beleidigt. Nur Wangenheim ertrug den Unglimpf mit guter 
Laune: bisher hatten ihn seine Genossen am Bundestage als Demagogen 
beargwöhnt, seit sein Buch auf der Wartburg verbrannt worden behan— 
delten sie ihn wieder freundlicher. Viele der übrigen beschwerten sich laut 
und setzten finstere Gerüchte in Umlauf: auch die Urkunde der Heiligen 
Allianz und die Bundesakte sollten die jungen Hochverräter mit verbrannt 
haben. Der Ungebärdigste von allen war Geh. Rat Kamptz; mit beiden 
Händen ergriff er den willkommenen Anlaß, um den akademischen Jako— 
binern endlich den Garaus zu machen. Welch ein Glück auch, daß die un— 
wissenden Jungen gerade seinen Kodex der Gendarmerie ins Feuer geworfen 
hatten, eine Sammlung von deutschen Polizeigesetzen, fast ohne eigene Zu— 
taten des Herausgebers! Also landesherrliche Verordnungen, darunter 
auch solche von Karl August selber, waren auf großherzoglich sachsen- 
weimarischem Boden öffentlich verbrannt; nach Quistorps Peinlichem 
Rechte lag der Tatbestand des „Lasters der beleidigten Majestät“ unbe- 
streitbar vor. In zwei drohenden Briefen an den Großherzog und dann 
noch in einer Flugschrift „über die öffentliche Verbrennung von Druck- 
schriften“ legte Kamptz diese Gedanken dar und forderte stürmisch Genug- 
tuung: der deutsche Boden sei entweiht, das Jahrhundert entheiligt durch 
den Vandalismus demagogischer Intoleranz, durch die Volksdümmlichkeit 
der Werkzeuge schlechter Professoren. 
Am Wiener Hofe war nur eine Stimme der Angst und der Ent- 
rüstung. Durch die Nachrichten aus Eisenach wurde Metternich zum 
ersten Male bewogen, sich der deutschen Dinge, die er bisher so gleichgültig 
behandelt hatte, ernstlich anzunehmen; er erkannte mit Schrecken, daß sich 
hinter dem phantastischen Treiben der Jugend doch der Todfeind seines 
Systems, der nationale Gedanke verbarg. Sofort erklärte er dem preu- 
ßischen Gesandten, jetzt sei es an der Zeit „gegen diesen Geist des Jako- 
binismus zu wüten“ (sévir), und ersuchte den Staatskanzler, gemeinsam 
mit Osterreich wider den Weimarischen Hof vorzugehen.) Im ersten 
Schrecken wollte er sogar alle österreichischen Studenten sogleich aus Jena 
abberufen. Im Osterreichischen Beobachter veröffentlichte Gentz eine Reihe 
geharnischter Artikel über das Wartburgfest, ein kunstvolles Gemisch von 
Scharfsinn und Torheit. Nur mit Zittern, rief er aus, könne ein Vater 
  
*) Krusemarks Berichte, 12. 22. Nov. 1817.
	        
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