Die Großmächte und die Studenten. 431
heute noch seinen Sohn auf die Hochschule ziehen sehen; an solche Klagen
nervöser Angstlichkeit schloß sich dann eine meisterhafte, aus der Fülle
überlegener Sachkenntnis geschöpfte Widerlegung der ruhmredigen Burschen-
märchen von den Wundertaten der Freikorps und „der heiligen Scharen“.
In Berlin zeigte sich der König weit besorgter als die Minister.
Friedrich Wilhelm hatte selbst nie studiert und kannte den derben Humor des
Burschenlebens nicht; das Poltern und Prahlen des jungen Volks ekelte
ihn an. Er war bereits im Frühjahr gegen die Hallenser Teutonia einge-
schritten, als Karl Immermann ihn um Schutz gegen den Terrorismus
dieser Burschenschaft bat, und ließ nunmehr sogleich auf allen preußischen
Hochschulen Nachfrage halten, wer an dem Wartburgfeste teilgenommen.
Die Königsberger Burschen wurden gelobt weil sie sich ferngehalten; der
Unterrichtsminister aber erhielt (7. Dezbr.) den strengen Befehl, sofort alle
Verbindungen bei Strafe der Relegation zu verbieten, auch das Turn-
wesen scharf zu beaufsichtigen. „Ich werde"“, schrieb ihm der König, „nicht
den mindesten Anstand nehmen, diejenige Universität, auf welcher der
Geist der Zügellosigkeit nicht zu vertilgen ist, aufzuheben.“)
Altenstein entledigte sich des Auftrags mit wohlwollender Schonung;
er hatte das Zutrauen zu dem guten Sinne der Jugend nicht verloren, er
lobte die furchtlose Haltung des Großherzogs von Weimar und hielt die
Hoffnung fest, „daß die preußischen Universitäten, so wie sie an zweck-
mäßiger, freigebiger Ausstattung allen deutschen vorangehen, diesen auch
als Muster eines regen, aber auf das Rechte gerichteten Strebens voran-
leuchten werden“. *) Hardenberg dagegen ging auf die Ansichten des
Königs mit beflissenem Eifer ein. Nicht als ob er die Besorgnisse des
Monarchen durchaus geteilt hätte, aber die Reden der jungen Demagogen
drohten ihm seine liebsten Pläne zu zerstören. Das letzte Ziel seiner Politik
blieb die Vollendung der Verfassung, und dies Werk konnte nie gelingen,
wenn der erwachte Argwohn in der Seele des Königs sich befestigte; darum
mußte jede Regung demagogischer Gesinnung sofort und für immer ge-
bändigt werden. Als irgend ein Ohrenbläser die streng wissenschaftlichen,
von aller Parteigesinnung freien Vorlesungen Schleiermachers „über die
Lehre vom Staate“ eben jetzt bei Hofe verdächtigt hatte und der König einige
verdrießliche Bemerkungen fallen ließ, da fand Hardenberg nicht den Mut,
durch ein ehrliches Wort dem Monarchen die Augen zu öffnen, sondern
verlangte alsbald von dem Unterrichtsminister das Verbot dieser Vorträge,
„die, ohne einen reellen Nutzen zu gewähren, nur dazu dienen die Ge-
müter zu entzweien“ und gab sein Vorhaben nur auf weil sogar Wittgen-
stein die Ausführung bedenklich fand. *) Ebenso willfährig kam er den
*) Kabinettsordre an Altenstein, 7. Dez. 1817.
*“) Altenstein an Hardenberg, 30. Nov. 1817, 25. August 1818.
! ) Hardenberg an Altenstein und Wittgenstein, 7. Dez., Rother an Hardenberg,
15. Dez. 1817.