448 II. 8. Der Aachener Kongreß.
Verstimmung nicht verbargen, so beschloß man, den Namen eines Kongresses
sorglich zu vermeiden und sprach nur von einer Réunion, einer Entrevue.
Die Pariser Gesandtenkonferenz erklärte den Mächten zweiten Ranges
(25. Mai), daß die Reunion lediglich den zweifachen Zweck habe den Vier-
bund von neuem zu befestigen und unter Mitwirkung des Allerchrist-
lichsten Königs über die Räumung Frankreichs zu beschließen; die Teil-
nahme anderer Souveräne oder Staatsmänner würde der Zusammen-
kunft den Anschein eines Kongresses geben und neue Beunruhigungen
hervorrufen. Nicht ohne Mühe gelang es den Unwillen der kleinen Höfe,
deren Truppen doch auch in Frankreich standen, zu beschwichtigen. Zum
Versammlungsort ward Aachen bestimmt, weil diese Stadt, wie Metternich
sagte, so wenig Ressourcen bot: man war entschlossen diesmal rasch und
ernstlich zu arbeiten, jeden Widerspruch gegen die Diktatur der vier Höfe
durch die Macht der vollendeten Tatsachen zu ersticken.)
Mittlerweile hatten die vier Mächte der bourbonischen Krone bereits
einen neuen Beweis freundlicher Gesinnung gegeben. Durch den zweiten
Pariser Frieden war König Ludwig verpflichtet, alle die auswärtigen Privat-
leute, Gemeinden und Korporationen zu befriedigen, welche noch von den
napoleonischen Tagen her Geldforderungen an die Krone Frankreichs zu
stellen hatten. Als diese Zusage unterzeichnet wurde, ahnte niemand was
sie bedeute; man dachte mit 100 Mill. Fr. alles auszugleichen, da die
Kriegslasten und -Leistungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben sollten.
Welch ein Schreck, als sich nun nach und nach der ganze Umfang der
napoleonischen Plünderungen herausstellte. Im Sommer 1817 waren
außer 180 Mill. Fr. bereits anerkannter und teilweise befriedigter Schul-
den noch neue Forderungen im Betrage von 1390 Mill. angemeldet.
Einige frivole Ansprüche liefen freilich mit unter; so verlangte der Herzog
von Bernburg den Sold für eine Reiterschar, welche einer seiner Ahnen
zur Zeit der Hugenottenkriege dem Heere Heinrichs IV. zugeführt hatte.
Aber weitaus die meisten Forderungen, mindestens eine Milliarde, ließen
sich rechtlich nicht anfechten; und das alles hatte Napoleon zumeist in
befreundeten oder neutralen Ländern von Privaten erpreßt. Die Mehr-
zahl der Rechnungen kam aus Spanien, aus den deutschen Kleinstaaten
und vornehmlich aus Preußen, das unter dem Durchmarsch der großen
Armee so schwer gelitten und allein über ein Viertel der Gesamtsumme
zu fordern hatte; Oesterreich und England waren unverhältnismäßig
weniger, Rußland fast gar nicht beteiligt. Die vier Mächte konnten sich
nicht verhehlen, daß die vollständige Befriedigung aller dieser Gläubiger
fast unmöglich war; jedes französische Kabinett, das einen solchen Vor-
schlag vor die Kammer gebracht hätte, wäre dem vereinten Ansturm aller
*) Ministerialschreiben an Krusemark, 20. Mai; Arnims Bericht, München 10. Juni;
Schölers Bericht, Petersburg 7. Febr. 1818.