464 II. 8. Der Aachener Kongreß.
zisten beunruhigte, regten ihn nicht so fieberisch auf wie der Anblick
eines bärtigen Studenten. In Heidelberg war ihm sogar die Freude an
der schönen Landschaft, fast das einzige jugendliche Gefühl, das er sich
in seinem fröstelnden Herzen noch bewahrt hatte, ganz verdorben, denn
auf den Straßen zeigten sich „die grotesken und widerlichen Figuren, die
in schmutzigen altdeutschen Trachten, Gott und den Menschen ein ge—
rechter Greuel, mit Büchern unter dem Arme, die falsche Weisheit ihrer
ruchlosen Professoren einholen gingen.“ Auch dieser Greuel mußte jetzt
ein Ende nehmen; eine große Denkschrift über die Reform der Univer—
sitäten war bereits in Arbeit. Der Kongreß bot die Mittel zur Ver—
ständigung mit dem preußischen Hofe, und dann sollte der Bundestag
die vernichtenden Schläge gegen die Demagogen führen. Unterdessen
ward das Publikum durch einen orakelhaften Artikel des Osterreichischen
Beobachters nachdrücklich zum Vertrauen auf die Weisheit der verbün-
deten Monarchen vermahnt: „Erhaltung, nicht Auflösung oder Umsturz
wird jeden ihrer Schritte bezeichnen.“ —
Um den Bundestag gefügig zu stimmen nahmen Metternich und
Gentz ihren Weg über Frankfurt und fanden dort bei den bedienten-
haften kleinen Diplomaten, welche Gentz im Kreise der Eingeweihten
kurzweg als Gesindel zu bezeichnen pflegte, einen glänzenden, alle Er-
wartungen überbietenden Empfang. Seinem Kaiser meldete Metternich
triumphierend: seit seinem Erscheinen in Frankfurt habe sich „eine mora-
lische Revolution am Bundestage vollzogen; ganz unglaublich, auf welcher
moralischen Höhe der kaiserliche Hof jetzt stehe.“ An seine Gemahlin
schrieb er noch weit prahlerischer: „Ich bin eine Art moralischer Macht
geworden in Deutschland und Europa; ich bin nach Frankfurt gekommen
wie der Messias um die Sünder zu erlösen“ — und versicherte dann, die
zwölf Tage seiner Anwesenheit hätten genügt um am Bundestage alles
zu erledigen, was niemals fertig zu werden schien. In Wahrheit ließ
sich der Bundestag in seinem gesunden Schlafe durchaus nicht stören;
die Gesandten trieben das beliebte Versteckenspiel mit der Einholung
neuer Instruktionen fröhlich fort, und von allen den unerledigten Ge-
schäften der Bundesversammlung wurde nur ein einziges durch Metter-
nichs Eingreifen um einen winzigen Schritt weiter gebracht, die Ver-
handlung über das Bundesheer.
Noch immer stritt man sich über die Zusammensetzung der gemisch-
ten Armeekorps, noch immer behaupteten die Mittelstaaten hartnäckig,
daß Kurhessen zu Süddeutschland gehöre, und soeben hatte Wangenheim
den Zorn der beiden Großmächte erregt durch eine Reihe bissiger
„Notamina“ zur Bundeskriegsverfassung, welche den Hintergedanken der
deutschen Trias deutlich durchschimmern ließen. Als Metternich den
Württemberger ernstlich zur Rede stellte, enthüllte ihm dieser in einer
kindlich offenherzigen Antwort (16. Sept.) seine geheimsten Pläne. „Die