Kaiser Franz am Rhein. 467
tum des Usurpators seine Huldigung dargebracht; und freche Gering—
schätzung der Untertanen gegen den edlen deutschen Fürsten, der dieser
Westmark das fremde Joch vom Nacken genommen und ihr nach viel—
hundertjährigem Elend zuerst wieder den Segen eines rechtschaffenen deut—
schen Staates brachte. Wahrlich, ein Geschlecht, das so empfand, war
noch nicht reif für die Einheit. —
Ganz ohne Kämpfe sollten die Verhandlungen des Kongresses nicht
verlaufen, doch ward der Gegensatz der Meinungen niemals schroff und
gefährlich, da alle Mächte einen neuen Ausbruch des Kraters der Revo—
lution in Frankreich gleichmäßig fürchteten. Wohl hatte der Zar seinen
Pozzo di Borgo eigenmächtig, dem Beschlusse der Pariser Gesandtenkon—
ferenz zuwider, nach Aachen berufen, aber Metternich bemerkte bald, daß
Alexander selbst mit der französischen Gesinnung seines Gesandten keines—
wegs übereinstimmte. Der Kaiser betrachtete die inneren Zustände Frank—
reichs mit schwerer Besorgnis und ließ sich durch Richelieus Beteuerungen
nicht bekehren; bei allem Wohlwollen für die Bourbonen wollte er den
Bund der vier Mächte, der seine Spitze gegen die Revolution in Frank—
reich richtete, nicht gänzlich aufgeben. Erhaltung des Friedens, der Ord—
nung, der christlichen Sitte und, wenn es not tue, gemeinsamer Kampf
gegen die Hydra des Aufruhrs — das war das Programm, das er, zu
Metternichs Erleichterung, in salbungsvollen Reden wieder und wieder
entwickelte. Zudem nahm Pozzo an den amtlichen Sitzungen nicht teil.
Die Bevollmächtigten waren: Castlereagh und Wellington, Metternich,
Hardenberg und Bernstorff, Kapodistrias und Nesselrode. Das Protokoll
führte Gentz; der schwamm in einem Meere des Entzückens und fand kaum
Worte genug um seinem Vertrauten Pilat die erfreuliche Sinnesänderung
des Zaren zu schildern und die musterhafte Eintracht der Kabinette und
das reiche Lob, das seiner Feder gespendet ward, und die 6000 Dukaten
Geschenke, die in seine unergründliche Tasche flossen. Der französische
Bevollmächtigte Richelieu erschien vorläufig nur in einzelnen Sitzungen,
auf besondere Einladung.
Über die Räumung Frankreichs einigte man sich schon am dritten
Tage des Kongresses, am 1. Oktober, und bereits am 9. wurde mit
Richelien ein Vertrag geschlossen, der den Abmarsch des Besatzungsheeres
bis zum 30. November zusagte. Ich habe genug gelebt, da ich Frankreich
frei gesehen habe, schrieb König Ludwig dankbar seinem Minister. Für
die Abzahlung des Restes ihrer Kriegsschulden — 265 Mill. Fr. — setzte
man den Tuilerien eine Frist von neun Monaten. Umsonst hatte Harden-
berg sofortige Zahlung gefordert, da das gänzlich erschöpfte Preußen kaum
noch länger warten konnte und die französischen Rentenbriefe stets unver-
züglich, sobald sie eingingen, zu ungünstigem Kurse verkaufen mußte. Die
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