Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Geheime Erneuerung des Vierbunds. 471 
kommen, so würde dies nur auf förmliche Aufforderung und unter Mit— 
wirkung der beteiligten Staaten geschehen. Dies Protokoll wurde allen 
europäischen Höfen mitgeteilt nebst einer Deklaration (v. 15. Nov.), einem 
Meisterwerke Gentzscher Stilistik, dessen glänzende Form freilich den dürf— 
tigen Inhalt kaum verhüllen konnte. „Der Zweck dieser Verbindung“, 
hieß es da, „ist ebenso einfach als wohltätig und groß. In ihrem festen 
und ruhigen Gange strebt sie nach nichts als nach Aufrechterhaltung des 
Friedens und Gewährleistung aller der Verhandlungen, durch welche er 
gestiftet und bekräftigt worden ist. Die Souveräne erkennen feierlich an, 
daß ihre Pflicht gegen Gott und gegen die Völker, welche sie beherrschen, 
ihnen gebietet, der Welt, so viel an ihnen ist, das Beispiel der Gerechtig— 
keit, der Eintracht, der Mäßigung zu geben.“ 
So war denn Frankreich scheinbar in den Bund der vier Mächte 
aufgenommen, und um die neue Freundschaft feierlich zu bekunden erhielt 
Pozzo di Borgo jetzt, mit Genehmigung des Zaren, die Würde eines 
Pairs von Frankreich. Der wackere Richelieu, dessen ritterliche Haltung 
auf dem Kongresse allgemein gefiel, erlebte die Genugtuung, daß ihm die 
unwissende Presse nachrühmte, er habe nicht nur den französischen Boden 
befreit, sondern auch die europäische Pentarchie erneuert. In Wahrheit 
hatte Frankreich nichts davon getragen als einen ziemlich wertlosen Be— 
weis diplomatischer Höflichkeit. Die Bourbonen konnten fortan erwarten, 
daß ihre Bevollmächtigten zu den Zusammenkünften der vier Verbündeten 
zugezogen würden, aber ein Vertrag war nicht geschlossen, der Name 
Fünferbund absichtlich vermieden. Dagegen versammelten sich die Ver— 
treter der vier Mächte noch an demselben 15. November, da sie die Dekla— 
ration an die europäischen Höfe erließen, zu einer vertraulichen Sitzung 
und erklärten in einem geheimen Protokolle, daß ihr in Chaumont abge— 
schlossener, in Paris auf unbestimmte Zeit erneuerter Bund unverändert 
fortbestehe; nur um Frankreich und die übrigen Staaten nicht zu er— 
schrecken, sollte der Fortbestand der Quadrupelallianz geheim gehalten 
werden. Die vier Mächte blieben mithin verpflichtet, einander mit je 
60,000 Mann mindestens sofort zu unterstützen falls in Frankreich eine 
Revolution ausbräche oder die Bonapartes zurückkehrten oder sonst eine 
Kriegsgefahr sich zeigte. Sie behielten sich vor, nötigenfalls in beson- 
deren Zusammenkünften (réunions spéciales) die Maßregeln zu verab— 
reden, welche „den verhängnisvollen Folgen eines neuen Umsturzes in 
Frankreich zuvorkommen können“.) 
In derselben Sitzung übergab der geheime militärische Ausschuß der 
vier Mächte, der unter Wellingtons Vorsitz tagte, seinen Plan für die 
Aufstellung der verbündeten Streitkräfte. Nach diesem „militärischen Pro- 
tokoll“ sollten, sobald die vier Mächte ausgesprochen hätten, daß der 
casus foederis et belli gegeben sei, binnen zwei Monaten die englischen 
*) Geheimes Protokoll der 33. Sitzung vom 15. Nov. 1818. 
 
	        
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