478 II. 8. Der Aachener Kongreß.
war, diese menschenfreundlichen Grundsätze in seinem Reiche zu verwirk—
lichen, so kam kein Beschluß zu Stande.
Alles in allem durfte Metternich diesen Kongreß als einen großen
Erfolg betrachten. Kein Zweifel mehr, der Zar war bekehrt, und wenn
er noch zuweilen seines eignen Weges ging, liberale Anwandlungen zeigte
er nicht mehr. Nur Kapodistrias blieb der Hofburg noch verdächtig und
wurde, als er nach dem Kongresse Italien bereiste, auf Schritt und Tritt
von der k. k. Polizei bewacht. Auch Richelien hatte zum Abschied tröst-
liche Zusicherungen gegeben und sogar eine Veränderung des Wahlgesetzes
versprochen; Metternich hoffte das Beste, da er, gleich den meisten der
Zeitgenossen, die Bedeutung der Wahlgesetze weit überschätzte. Aber der
französische Minister konnte sein Wort nicht einlösen. Sein eigener Amts-
genosse Decazes trat ihm entgegen. Es kam zum Bruche. Gegen Weih-
nachten, wenige Wochen nach seinen Aachener Erfolgen, trat Richelien zurück
und Herzog Decazes bildete ein neues Kabinett, das sich mit den liberalen
Parteien freundlicher zu stellen suchte. Nachdem der erste Schrecken ver-
flogen war, fand sich Metternich rasch in die veränderte Lage, denn auch
der neue Minister mußte wissen, daß er unter dem Schwerte der Quadrupel-
allianz stand und den Independenten nicht zu weit entgegenkommen
durfte. Der Vierbund aber ward durch die Nachrichten aus Paris nur
von neuem gekräftigt. Zar Alexander, der die erste Kunde auf der
Heimreise in Wien erhielt, eilte sofort zornglühend zu Kaiser Franz, ver-
sprach augenblicklich seine Regimenter auf den Kriegsfuß zu setzen, ließ sich
nur mit Mühe beschwichtigen.) Die vier Mächte einigten sich, auf Har-
denbergs Rat, zu dem Beschlusse, zwar jede mittelbare oder unmittel-
bare Einmischung in Frankreichs innere Angelegenheiten zu vermeiden,
aber ihren engeren Bund nur um so fester zu schließen; dies sei der
einzige Damm gegen den wütenden Strom, welcher die Geister in
Frankreich von neuem fortreiße.) In solcher Lage war eine revolutio-
näre Schilderhebung nicht wahrscheinlich. Frohlockend verkündete Gentz
seinen Freunden: „die Ruhe der Welt ist auf lange, lange Zeit hinaus
gesichert.“ Mit übermütigem Hohne zermalmte er im Osterreichischen
Beobachter die Schrift des Erzbischofs de Pradt über den Aachener Kon-
greß, allerdings ein sehr seichtes Machwerk des schreibseligen Liberalen;
und als die Independenten der Pariser Minerva über die Uneinigkeit der
großen Mächte spotteten, erwiderte er ihnen (Jan. 1819) drohend — was
dem großen Publikum wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam: sie mögen
sich's gesagt sein lassen, die Quadrupelallianz, sofern sie gegen die Revo-
lution gerichtet ist, besteht noch heutel
*) Krusemarks Bericht, Wien 26. Dez. 1818.
*) Ministerialschreiben an Krusemark, 6. März 1818.