Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Max Josephs Staatsstreichspläne. 505 
habe, und fragte, „was dieser kaum aus der Wiege hervorgegangenen 
Volksrepräsentation den Mut einflößen konnte, da anzufangen, wo an— 
dere ihresgleichen zu endigen pflegen.“ Noch sei mit Hilfe der Reichs— 
räte entschiedenes Einschreiten gegen die Abgeordneten möglich, aber „was 
heute noch durch kräftige Maßregeln gerettet werden dürfte, wird vielleicht 
in wenigen Wochen unwiederbringlich verloren sein.“ 
Kaum minder besorgt sah König Max Joseph selber die Lage an. Er 
brütete bereits über verzweifelten Plänen und beriet sich mit seinen 
Vertrauten, ob nicht die Aufhebung der Verfassung notwendig sei, „weil 
sie den gehofften Zweck nicht erfüllt habe.“ Am 30. März überraschte 
Graf Rechberg den preußischen Gesandten durch eine vertrauliche Mit- 
teilung über diese geheimen Pläne. Der Minister fügte hinzu, sein 
Hof fürchte nur, durch eine Verletzung des Art. 13 mit dem Bundestage 
in Streit zu geraten, und schloß mit der förmlichen Bitte: der König 
von Preußen möge durch sein Ministerium vertraulich mitteilen lassen, 
„was S. M. der König von Allerhöchstdemselben zu erwarten haben 
würden, wenn Sie Sich in der unangenehmen Notwendigkeit befinden 
sollten, den erwähnten Gewaltschritt zu tun.“ Gleichzeitig sprach Bayern 
auch dem k. k. Hofe seine Reue aus wegen des übereilten Verfassungs- 
werkes, erklärte sich bereit, „.mit Eifer die Repressivmaßregeln anzunehmen, 
welche Osterreich und Preußen ihm vorschlagen möchten.“) 
Die Versuchung für König Friedrich Wilhelm war groß, doch er be- 
stand sie ehrenhaft. Er nahm die Frage in reifliche Erwägung, ließ 
mehrere Wochen verstreichen und am 11. Mai durch ein Ministerial- 
schreiben antworten: „Wären wir in dem Falle gewesen, unsere Ansicht 
in dem Augenblicke auszusprechen, wo der König von Bayern den Ent- 
schluß gefaßt hatte, die Verfassung einzuführen, so würden wir, wie viel 
Gutes und wohl Uberlegtes auch in dieser Verfassungsurkunde enthalten 
ist, doch Zweifel und Bedenken mancherlei Art offen zu bekennen uns 
zur Pflicht gemacht haben. Jetzt aber“ — fuhr Bernstorff mit unverkenn- 
barer Ironie fort — „handelt es sich um Fragen ganz anderer Natur. 
Erwägen wir, daß der König von Bayern, bei Einführung dieser Kon- 
stitution, solche nicht nur als eine seinem Volke gewährte und ausgezeich- 
nete, aus seiner freien Huld hervorgegangene Wohltat geltend gemacht, 
sondern auch den gegründeten oder vermeintlichen Anspruch der Nation 
auf eine solche Verfassung ausdrücklich anzuerkennen nicht gescheut hat, 
und daß die Ständeversammlung ihrerseits die neue Verfassung nicht nur 
in demselben Sinne angenommen und sich, besonders was die Rechte 
der Nation betrifft, denen gehuldigt zu haben dem König als Hauptver- 
dienst angerechnet wird, so bestimmt als kühn ausgesprochen hat — so 
können wir die großen und drohenden Gefahren nicht verkennen, welche 
  
* Zastrows Bericht, 30. März; Krusemarks Bericht, 16. April 1819.
	        
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