Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der erste badische Landtag. 511 
Schlacht sich bekannt gemacht hatte. Als Redner feurig, schlagfertig und 
doch besonnen, wohl das glänzendste parlamentarische Talent der badischen 
Geschichte, in seinen Ansichten durchaus liberal, unterschied er sich von 
der Mehrzahl seiner Genossen durch praktischen Takt und ein gesundes 
militärisches Urteil; die Festigkeit seines Charakters stand aber weit hinter 
seiner Begabung zurück. 
Fast alle Redner der Opposition gehörten dem Beamtenstande an, 
der überhaupt in diesem Landtage unverhältnismäßig stark vertreten war; 
und so ward denn zum ersten Male ein schlimmes Gebrechen des deutschen 
Parlamentarismus fühlbar, das bis zum heutigen Tage ungeheilt ge— 
blieben ist. Da eine Klasse von Berufspolitikern diesem verarmten Volke 
noch gänzlich fehlte und namentlich die juristische Bildung fast aus— 
schließlich in den Reihen der Beamten zu finden war, so hatten die Ur— 
heber der neuen Verfassungen, um nicht die Sachkundigen ganz von den 
Kammern auszuschließen, allesamt den Staatsdienern die Wählbarkeit 
eingeräumt. Manche der kleinen Kronen schmeichelten sich mit der Hoff— 
nung, daß die Beamten im Landtage den Eifer der Opposition ermäßigen 
würden. Das deutsche Beamtentum war aber durch die neuen, dem 
preußischen Muster nachgebildeten Dienstpragmatiken unabhängiger ge— 
stellt, als irgend ein anderer Staatsdienerstand der Welt; seine Mit— 
glieder beanspruchten als Abgeordnete das unbeschränkte Recht ihre Vor— 
gesetzten zu bekämpfen, und es bildete sich bald die Ansicht aus, daß der 
Beruf des Volksvertreters hoch über der Amtspflicht stehe, der Diensteid 
mithin für die Dauer des Landtagsmandates seine Kraft verliere. So 
entstand die zweifache Gefahr — und beide Folgen sind in Süddeutsch— 
land abwechselnd eingetreten — daß entweder die Mannszucht des Staats- 
dienstes zerrüttet oder die Charakterfestigkeit des Beamtentums durch 
Gunst und Druck von oben her gebrochen würde. Ein Mittel der Unter— 
drückung lag nahe zur Hand: die Verfassung enthielt keine Vorschriften 
über die Beurlaubung der zum Landtage gewählten Staatsdiener, und 
schon während des ersten badischen Landtags ward im Ministerium die 
Frage erwogen, ob man nicht wohltue, in Zukunft die Führer der Oppo— 
sition durch Versagung des Urlaubs den Kammern fern zu halten — ein 
kleinlicher und doch bei der Schwäche dieser Regierungen leicht begreif— 
licher Gedanke, der noch viel Unfrieden über den Süden bringen sollte. 
Es konnte nicht ausbleiben, daß eine an aufgeweckten Köpfen so reiche 
Versammlung im ersten Hochgefühle einer großen Bestimmung ihre Rede— 
künste über alle Höhen und Tiefen des Staatslebens erstreckte. Solange 
der Nation ein Reichstag fehlte, waren die kleinen Landtage fast gezwungen, 
trotz der Warnungen des Großherzogs Ludwig, über ihre Sphäre hinaus- 
zugehen, Fragen der gesamtdeutschen Politik in den Kreis ihrer Be- 
ratungen zu ziehen. Ein Menschenalter hindurch blieb es fortan der 
historische Beruf dieses beweglichen oberrheinischen Völkchens, daß hier im
	        
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