518 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
lebhaft verteidigte. Die Regierung wußte nicht aus noch ein. Vom
Bundestage und von den meisten Höfen kamen verwunderte Anfragen:
ob denn in Baden alles aus Rand und Band gehe, da der Kommissar
der Regierung selber die Opposition zum Kampfe gegen den Bund und
das Ministerium führen dürfe?“) Graf Buol rief, auf die Nachricht
von Liebensteins Rede: ohne Zweifel liegt der Redner bereits in Ketten!
Minister Berstett aber war nicht der Mann, diesen Sturm zu beschwören;
er ließ sich im Zorne zu dem Vorwurfe jakobinischer Gesinnung gegen
die Kammer hinreißen und steigerte nur den Unwillen. Da verlor der
Großherzog endlich die Geduld. Am 28. Juli wurden die Kammern
plötzlich bis zum nächsten Jahre vertagt. Der dreimonatliche Redekampf
ging ohne jedes Ergebnis zu Ende, kein einziges Gesetz war vereinbart.
Zuletzt brach auch über den Mann, der solange schon in Karls—
ruhe dem preußischen Namen Unehre bereitet hatte, die Vergeltung herein.
Seit zwei Jahren war Varnhagens Amtsführung nur eine Kette von
Unbotmäßigkeit und Gewissenlosigkeit. Als Berichterstatter unzuverlässig,
parteiisch, schlecht unterrichtet, hatte er seine Regierung sogar frech belogen,
als er jene Briefe der Souveräne von Bayern und Baden an die Zei—
tungen verriet und sich nachher über diesen Verrat entrüstet stellte;
seinen Weisungen entgegen, hatte er sich zuerst in die bayrisch-badischen
Händel eingemischt, dann liberale Parteipolitik getrieben und schließlich die
Rechtsansprüche der Mediatisierten, welche der Berliner Hof unterstützte,
geradezu bekämpft. Es war eine Pflichtvergessenheit, die in der Geschichte
der preußischen Diplomatie wohl nur einmal ein Seitenstück fand: an
dem Verhalten des Grafen Haugwitz zur Zeit der Austerlitzer Schlacht.
Auf die wohlberechtigte Klage des badischen Hofes wurde Varnhagen ab—
berufen und hatte es nur der Gutmütigkeit Hardenbergs und Bern—
storffs zu verdanken, daß er nicht die einfache Entlassung, sondern ein
ganz unverdientes Wartegeld erhielt. Er fiel als das Opfer seiner Eitel—
keit und seines Ungehorsams. Doch da seine Abberufung zufällig mit dem
Beginn der Demagogenverfolgung zusammentraf, und die uneingeweihten
Zeitungen bald von seiner Verhaftung, bald von seinen jakobinischen
Plänen fabelten, so spielte er in Berlin den liberalen Märtyrer, und
nachdem er viele Jahre hindurch bei allen Ministern des Auswärtigen,
von Bernstorff bis auf Manteuffel, immer vergeblich um Wiederanstellung
gebeten hatte, rächte er sich endlich durch eine literarische Giftmischerei,
die seiner politischen Taten würdig war.
In Baden arbeitete unterdessen Minister Fischer, wie kurz zuvor Rech-
berg in München, an dem Plane eines Staatsstreichs. Er schlug seinem
Fürsten in einer Denkschrift vor: die Krone möge die Domänen wieder
*) Berkheims Bericht, Frankfurt 25. Juni; Blittersdorffs Bericht, Petersburg
14. August 1819.