Metternich in Italien. 533
mahlin, „die Welt befand sich im Jahre 1789 in voller Gesundheit, ver—
glichen mit ihrem heutigen Zustande!“ Schon nach dem Wartburgfeste
hatte er mit den süddeutschen Gesandten mehrfach die Frage erwogen,
ob man nicht in Wien ein gemeinsames „Foyer“ zur Beobachtung der
deutschen Revolution errichten solle. Jetzt kam ein Hilferuf nach dem an—
deren von den kleinen Höfen; alle klagten ihre eigene Sorglosigkeit an
und bewunderten den durchbohrenden Scharfblick des großen Staatsmannes,
der allein die ruchlosen Absichten der Burschen von vornherein durch—
schaut hatte. Wie hätte der eitelste der Menschen sich jetzt vor wahn-
sinniger Selbstberäucherung bewahren sollen? Seit der einzige Riese des
achtzehnten Jahrhunderts dahingegangen war — er meinte wohl Fried-
rich II. — fand Metternich das Menschengeschlecht bis zur Erbärmlich-
keit klein. „Mein Geist", so gestand er, „begreift nichts enges; ich beherr-
sche ein unendlich weiteres Gebiet, als die anderen Staatsmänner sehen
oder sehen wollen. Ich kann mich nicht enthalten, mir zwanzigmal am
Tage zu sagen: guter Gott, wie sehr habe ich recht, und wie sehr haben
sie unrecht! Und wie leicht ist es doch, dies so klare, so einfache, so
natürliche Rechte zu finden!“ So trat der idealistischen Anmaßung der
deutschen Jugend der kalte Dünkel eines Weltmannes entgegen, der nie-
mals für eine Idee sich erwärmt, niemals über eines der großen Kultur-
interessen der Menschheit nachgedacht hatte, der die gemeinste der mensch-
lichen Leidenschaften, die Angst als seinen natürlichen Bundesgenossen be-
trachtete und mitten in den Torheiten polizeilicher Verfolgungssucht sich
noch einbildete, ein weiser Vertreter staatsmännischer Mäßigung zu sein:
„die heilige Mittellinie, auf der die Wahrheit steht, ist nur wenigen vor-
behalten."“
Ohne nach Beweisen auch nur zu fragen, hielt er für ausgemacht,
daß die „Jenenser Vehme"“ ihre Mordgesellen nach dem Lose über Deutsch-
land aussende; gegen eine so furchtbare Verschwörung reichte die Macht
der einzelnen deutschen Staaten nicht aus. Darum gab Metternich eine
ausweichende Antwort, als König Max Joseph auch den Wiener, wie den
Berliner Hof wegen der Aufhebung der bayrischen Verfassung befragte.
Durch das gemeinsame Handeln aller Bundesstaaten, unter Osterreichs
Führung sollten die Presse, die Universitäten, die Kammern geknebelt
werden: „mit Gottes Hilfe hoffe ich die deutsche Revolution zu schlagen,
ganz so wie ich den Eroberer der Welt besiegt habe!“ An seinem Mon-
archen fand er einen festen Rückhalt. Kaiser Franz wollte, wie immer,
Ruhe haben; nimmermehr durfte das Stilleben seiner Presse, seiner
Postulatenlandtage und jener Schulen, die man im alten Osterreich
Universitäten nannte, durch die Tollheiten der deutschen Nachbarn gestört
werden. Er billigte aus ganzer Seele die Theorie seines Ministers, daß
jeder Bundesfürst „Felonie gegen den Bund“ begehe, wenn er der Presse
Freiheiten gestatte, die bei der Gemeinsamkeit der Sprache auch das deutsche