Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Metternichs Plan für die Karlsbader Konferenzen. 537 
Kultur gemein hatte. Nur die medizinischen Fakultäten Osterreichs ge- 
nossen der vollen Lehr= und Lernfreiheit deutscher Hochschulen. In Berlin 
dagegen empfand man lebhaft, wie leicht ein Gewaltschritt gegen die aka- 
demische Freiheit alle Grundlagen der deutschen Bildung zerstören könne. 
Selbst der furchtsame Ancillon mochte den deutschen Gelehrten doch nicht 
ganz verleugnen und gab der Hofburg zu bedenken: dies alles ist für 
uns schwerer als für Osterreich, da wir große Universitäten besitzen, die 
nur Lehr= nicht Erziehungs-Anstalten sind und nur in Freiheit gedeihen 
können.“) Eichhorn, der seit einem Jahre den Vortrag über die deutschen 
Angelegenheiten im Auswärtigen Amte erhalten hatte, verfaßte für den 
Bundestag eine geistvolle Denkschrift (10. Juli), die sich zwar über den 
Dünkel des jungen Geschlechts nicht ganz so nachsichtig äußerte wie Groß- 
herzog Karl August, aber mit den praktischen Vorschlägen des weima- 
rischen Antrags fast vollständig übereinstimmte. Er fand die wesentlichen 
Institutionen der deutschen Hochschulen, wie sie sich historisch entwickelt 
hätten, durchaus gesund; er warnte die Regierungen vor dem Versuche, 
durch Drohungen und Ermahnungen in diese Welt der Freiheit einzu- 
greifen: „die Außerung einer Regierung muß zugleich Tat sein;“ er 
wagte sogar den einfachen, in jenem Augenblicke sehr kühnen Gedanken 
auszusprechen, ob man nicht die akademischen Verbindungen unter gewissen 
Vorbehalten geradezu erlauben solle, da die zahllosen Verbote seit Jahr- 
hunderten doch nichts geholfen hätten, und erklärte sich endlich sehr nach- 
drücklich gegen den Vorschlag, daß ein entlassener Professor niemals wieder 
angestellt werden dürfe: genug, wenn die Regierungen einander die 
Gründe solcher Entlassungen gewissenhaft mitteilten, einen Verderber der 
Jugend werde doch sicher kein deutscher Fürst in seine Dienste ziehen wollen. 
In der Kommission des Bundestags drang Preußen allerdings nicht mit 
allen seinen Vorschlägen durch; der Antrag Osterreichs auf Nichtwieder- 
anstellung der entlassenen Professoren wurde von Bayern, Hannover und 
Baden gegen Preußens Widerspruch angenommen. Im weiteren Verlauf 
der Verhandlungen aber begegnete Osterreich überall der Abneigung des 
Partikularismus, der nirgends so wohl berechtigt ist wie auf dem Gebiete 
des akademischen Lebens. Selbst diese ängstlichen kleinen Kronen wollten 
sich die Eigenart ihrer Hochschulen nicht ganz verkümmern lassen und 
verstanden sich nur zu wenigen gemeinsamen Vorschriften; ihr Widerstand 
war um so schwerer zu besiegen, da das Universitätswesen unzweifelhaft 
nicht zur Kompetenz des Bundes gehörte. 
Metternich fühlte, daß er durch den Bundestag nie zu seinem Ziele 
gelangen konnte; ohnehin hatte der anarchische Zustand der Frankfurter 
Versammlung schon längst den Unwillen des Wiener Hofes hervorgerufen. 
Graf Buol mit seiner Gedankenarmut, seiner taktlosen Heftigkeit ver- 
  
*) Ancillon, Weisung an Krusemark, 15. Juni 1819.
	        
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