Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Smidt über die Bundespolitik. 539 
gänzung, natürlich in hochkonservativem Sinne, zu geben und namentlich 
für die landständischen Verfassungen bindende Vorschriften aufzustellen. 
Der Plan sah einem Staatsstreiche sehr ähnlich, er ging geringschätzig 
über alle verfassungsmäßigen Rechte des Bundestages hinweg und enthielt 
die schärfste Kritik der Bundesverfassung; denn durch andere Mittel als 
durch Einschüchterung und Eigenmacht ließ sich diesem Bunde allerdings 
kein Entschluß entreißen. 
Glückselig, mit heiligem Eifer arbeitete nun Gentz die Vorschläge für 
die Karlsbader Versammlung aus: provisorische Ausnahmegesetze gegen 
die Universitäten, die Presse, die Demagogen, und dazu eine Interpre— 
tation des Art. 13, wozu die Torheiten der badischen Kammern den 
hochwillkommenen Anlaß boten. Hatten die Liberalen den Art. 13 ge— 
wissenlos als eine Verheißung des Repräsentativsystems mißdeutet, so war 
Gentz rasch bei der Hand mit der entgegengesetzten Sophisterei, die min— 
destens ebenso wohlbegründet schien. Die landständischen Verfassungen 
des Art. 13 bedeuteten eben Stände, nichts anderes; wollten die deutschen 
Staaten, so schrieb er dem Hospodar Soutzo, sich dem demokratischen Re— 
präsentativsystem ergeben, dann gehe jede föderative Einheit in die Brüche, 
und Osterreich würde es unter seiner Würde finden, an einem solchen 
Bunde noch länger teilzunehmen. Im tiefsten Geheimnis wurden unterdes, 
außer Preußen, die kleinen Königreiche, sowie die für besonders zuverlässig 
geltenden Höfe von Baden, Mecklenburg und Nassau eingeladen, ihre 
leitenden Minister im Juli nach Karlsbad zu senden; alle erklärten sich 
mit Freuden bereit. Die übrigen Regierungen würdigte man keiner Mit- 
teilung, die einen weil Eile not tat und nur ein kleiner Kreis rasche 
Beschlüsse fassen konnte, die anderen, weil Kaiser Franz ihnen mißtraute. 
Noch im Juli berichtete der weimarische Gesandte aus Berlin harmlos: 
der bevorstehende Karlsbader Kongreß solle seine Spitze wohl gegen Frank- 
reich richten.) 
Für den Großherzog von Weimar war am Wiener Hofe kein Wort 
mehr schlecht genug. Der Mäcenas der deutschen Schöngeister, höhnte man 
dort, sei jetzt zum Protektor der deutschen Meuchelmörder geworden; ein- 
zelne Heißsporne erinnerten bereits an das Schicksal Johann Friedrichs. 
Der tapfere Fürst hielt aus so lange es anging; er dachte in diesem Früh- 
jahr sogar daran, den gefürchteten Gagern zu seinem Bundesgesandten 
zu ernennen, was ihm General Wolzogen noch glücklich ausredete) 
Mittlerweile kamen ernste Mahnungen aus Rußland, offenbare Drohungen 
aus Osterreich. Auf der Reise nach Karlsbad erklärte Metternich einem 
Staatsmanne der kleinen Höfe rund heraus: der einzige Rechtsgrund für 
den Bestand der kleinen Bundesstaaten sei die Bundesakte, nur als 
  
*) Cruickshanks Bericht, 10. Juli 1819. 
**) Goltzs Bericht, 25. Mai 1819.
	        
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