Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Verfassungskämpfe in Detmold und Württemberg. 547 
zu einer streng gehorsamen, unbedingt abhängigen „Garde“, wie die Libe— 
ralen höhnten; auch der einflußreiche Geh. Rat von Gros, der sich früher 
als Erlanger Professor der besonderen Gunst Hardenbergs erfreut hatte, 
war ein gescheiter Bureaukrat von der aufgeklärten rheinbündischen Art. 
Graf Wintzingerode endlich, der Sohn des Ministers Friedrichs I., der 
soeben in das Auswärtige Amt berufen wurde, hatte sich als Gesandter 
in Wien durch seine Gradheit und streng monarchische Gesinnung das 
volle Vertrauen Metternichs erworben.“) Alles an dieser Regierung trug 
das Gepräge eines strengen und verständigen Absolutismus. Die lärmende 
Freiheit der Studenten schien dem soldatischen Monarchen entsetzlich, und 
Wintzingerode erwog bereits mit ihm die Frage, ob man nicht der Tübinger 
Universität eine neue Karlsschule mit halb militärischer Zucht an die Seite 
setzen solle. Daher war ihm die Einladung zu den Karlsbader Konferenzen 
keineswegs unwillkommen. Aber andererseits wollte er doch den Namen 
des liberalsten deutschen Fürsten nicht verlieren und sein Verfassungswerk 
als souveräner Herr, unbelästigt durch den Bund, zu Stande bringen. 
Seit zwei Jahren befand er sich wohl bei einem Doppelspiele, das 
seiner ränkesüchtigen Natur allmählich zum Bedürfnis wurde. Er gewährte 
seiner Presse volle Freiheit gegen den Bund und die Großmächte, nur 
wider ihn selber durfte sie nichts sagen. Er ließ in Frankfurt durch 
Wangenheim, den begeisterten Verehrer des Bundesrechts, die Gedanken 
des liberalen Föderalismus vertreten, und wenn es der Heißsporn zu 
arg trieb, dann mußte Wintzingerode, der seinerseits die Bundesakte 
für „eine widersinnige Konzeption" hielt, ihn bei der Hofburg entschuldigen 
und die hochkonservativen Ansichten des Königs beteuern. Wie erfolg- 
reich ließ sich diese machiavellistische Politik jetzt fortführen, wenn man 
gleichzeitig mit den Karlsbader Konferenzen die Verfassungsberatungen 
von neuem aufnahm. Dann konnten die Landstände durch die Angst vor 
den Karlsbader Beschlüssen nachgiebig gestimmt werden; und wenn in 
Karlsbad ein Vorschlag auftauchte, der den Interessen des Stuttgarter 
Hofes zuwiderlief, so mochte sich der württembergische Bevollmächtigte hinter 
den Landtag verschanzen und wehmütig versichern, dergleichen sei bei den 
hartköpfigen Schwaben nicht durchzusetzen. So wurde zugleich der Trotz 
der Altrechtler gebrochen und dem Könige sein liberaler Ruf gerettet. 
Nicht ohne Geschick ward diese politische Falle eingerichtet. Am 
10. Juni überraschte der König sein Land durch die Ausschreibung neuer 
Wahlen, am 13. Juli trat der Landtag in Ludwigsburg zusammen. 
Welch ein Umschlag der Stimmungen seit zwei Jahren! Die im ganzen 
wohltätige Wirksamkeit der königlichen Diktatur hatte manchen hitzigen 
Altrechtler versöhnt, das Mißtrauen gegen die Krone gemildert. Die Tor- 
heit des verstockten Widerstandes der alten Stände war jetzt vielen klar 
  
*) Krusemarks Bericht, 4. Juni 1819. 
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