Gentz über die Landstände. 559
in der Ausübung einzelner Rechte beschränkte monarchische Gewalt, hier
die Unterwerfung der Krone unter die Willkür der Volksvertreter, eine
Anarchie, die, mit den Rechten des Bundes völlig unvereinbar, schließlich
zur Bildung einer Volksdeputierten-Kammer neben dem Bundestage, mit-
hin zur allgemeinen Revolution führen müsse. Wird den deutschen Fürsten,
die bei der Bildung ihrer Verfassungen den einzig zulässigen Sinn des
Art. 13 verfehlten, nicht zu einer anständigen Rückkehr die Hand geboten,
„so bleibt uns allen nichts übrig als dem Bunde zu entsagen.“ Kein
Satz in dieser Arbeit, der nicht allbekannten historischen Tatsachen dreist
ins Gesicht schlug; denn unzweifelhaft hatte sich die moderne deutsche
Monarchie nur in beständigem Kampfe mit den alten Ständen ihre Stärke
erworben, die Macht der Krone stand in den neuen konstitutionellen
Staaten ungleich höher als in den altständischen Territorien Sachsen,
Hannover, Mecklenburg, wo das ganze Staatswesen einen oligarchischen
Charakter trug; und ebenso gewiß waren die Landtage der süddeutschen
Staaten nicht allgemeine Volksvertretungen, sondern halbständische Körper-
schaften, höchstens die badische zweite Kammer konnte als eine Repräsen-
tation im neufranzösischen Sinne gelten. Gleichwohl verbarg sich hinter
der scheinbar so willkürlich ausgeklügelten Doktrin eine sehr bestimmte
politische Absicht. Wenn Gentz wider das revolutionäre Repräsentativ-
system eiferte, so hatte er die Theorie Rottecks im Auge, der allerdings
die Rechte der Volksvertretung aus dem Grundsatze der Volkssouveränität
ableitete; und wenn er die alten deutschen Landstände feierte, so dachte
er dabei nicht an die stürmischen Zeiten der ständischen Libertät, sondern
an die wohlgezähmten Postulatenlandtage des neuen Osterreichs; dies
Stilleben der k. k. Kronlande sollte für ganz Deutschland das Muster
werden.
Gentzs Denkschrift wirkte in der Geschichte der deutschen Parteikämpfe
lange nach; sie bezauberte damals schon den erregbaren Geist des Kron-
prinzen von Preußen, der hier endlich eine meisterhafte Formulierung seiner
eigenen Ideen fand, und bildete späterhin, als sie auch weiteren Kreisen
bekannt wurde, lange Zeit hindurch das große Arsenal, aus dem sich die
altständische Partei in Preußen ihre Waffen holte. In jenem Augenblicke
aber war sie ein schwerer politischer Fehler, nachteilig für Metternichs
eigene Pläne. Die Vertreter von Bayern und Baden wetteiferten mit
dem Grafen Münster in scharfen Anklagen wider den Übermut der
Kammern. Wintzingerode empfahl dringend, durch ein Bundesgesetz das
Wahlrecht auf die ansehnlichen Grundbesitzer zu beschränken und vor-
nehmlich die Offentlichkeit der Landtagsverhandlungen zu untersagen,
diese ausländische Erfindung, die von allen Staatsmännern in Karlsbad
einstimmig als schlechthin demagogisch gebrandmarkt wurde; er beantragte
dies, sicherlich nicht ohne Ermächtigung, in demselben Augerblicke, da
sein König dem Landtage in Ludwigsburg die Offentlichkeit und ein