Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Schinkel. 49 
Tones zu beliebiger Formung in die Hand gab, hatte der preußische 
Künstler sein Leben lang mit der notgedrungenen Sparsamkeit des Mon— 
archen und seiner Beamten zu kämpfen. Dem muß man einen Zaum 
anlegen! — sagte der König lächelnd, so oft der Unerschöpfliche wieder 
mit einem neuen Vorschlage herantrat. Kaum der zwanzigste Teil seiner 
kühnen Pläne gelangte zur Ausführung. Wie viel Mühe hat es ihn ge— 
kostet, auch nur die baufälligen Statuen auf dem Dache des Schlosses, 
die das Beamtentum abbrechen wollte, vor der Vernichtung zu retten. 
Statt des edlen Hausteins, der ihn in Italien entzückt hatte, mußte er 
sich zumeist mit verputztem Backstein, statt des Erzes mit Zinkguß be— 
helfen. Gleichwohl genügte dieser armselige Bruchteil seiner Entwürfe, 
neben den Werken der Schlüterschen Epoche, um der Baukunst Berlins 
für immer ihren Charakter aufzuprägen. 
Schinkel befreite sich bald von dem teutonischen Rausche der Kriegs— 
jahre. Er erkannte, daß die vielgestaltige moderne Bildung sich nicht auf 
Einen Baustil beschränken darf, und ließ die Kunstformen des Mittel— 
alters gelten, wo sie durch Lage und Bedeutung des Bauwerks bedingt 
schienen. Für seine eigensten Ideale aber fand er jetzt den rechten Aus— 
druck in einer neuen Form der Renaissance, die sich enger als die Kunst 
des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts an die Werke der Alten, 
vornehmlich der Hellenen, anschloß und doch immer verstand dem Sinn 
und Zweck moderner Bauten gerecht zu werden. Gleich an seinem ersten 
größeren Werke, der neuen Hauptwache, sprach die kriegerische Bestimmung 
des Gebäudes so mächtig und trutzig aus den strengen, gedrungenen dori- 
schen Formen, daß der Beschauer den überaus bescheidenen Umfang fast 
vergaß und sich an Sanmichelis majestätische Festungswerke gemahnt fühlte. 
Als bald darauf, im Jahre 1817, das Schauspielhaus abbrannte und 
das kargende Beamtentum die Benutzung der alten Brandmauern für 
den Neubau forderte, da wußte er wieder aus der Not eine Tugend zu 
machen; und bald erhob sich zwischen den beiden prächtigen Kuppeln der 
Gendarmenkirchen über einer hohen Freitreppe ein festlich heiterer ioni- 
scher Tempel, die Giebel und Treppenwangen mit reichem Bildnerwerk 
geschmückt — denn auf das Zusammenwirken aller Künste ging jeder 
seiner Pläne aus — der ganze Bau ein getreues Bild dieser geistig so 
reichen, wirtschaftlich so armen Epoche, genial im Entwurfe, aber in der 
Ausführung vielfach eng und dürftig. 
Seitdem stand Schinkel fest in der Gunst des Königs und übernahm 
die Leitung alles künstlerischen Schaffens in Preußen, nur daß ihm die 
leidige Geldnot immer wieder die Fittiche seines Genius beschnitt. In 
ganz Norddeutschland und bis nach Skandinavien hinüber gelangte seine 
klassische Richtung zur Herrschaft. Die Pläne für den Berliner Dom 
wurden aufgegeben, weil die Mittel fehlten. Statt dessen entstand das 
schöne Siegesdenkmal auf dem Krenzberge. Das Denkmal selbst hatte 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 4
	        
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