Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

564 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
Verletzung des Art. 18 der Bundesakte, der zwar die Zensur nicht aus- 
drücklich verbot, aber die Preßfreiheit als Grundsatz aufstellte. Alle Zeit- 
schriften und alle Bücher unter zwanzig Bogen sollten während der 
nächsten fünf Jahre der Zensur unterliegen, doch stand es jedem Bundes- 
staate frei, auch größere Werke der Zensur zu unterwerfen; auch hier 
wollte man nicht ein mindestes Maß der Freiheit, sondern eine unüber- 
schreitbare letzte Grenze vorschreiben. 
Da mithin die Zeitungen fortan nichts ohne Genehmigung der 
Staatsgewalt veröffentlichen durften, so zog das Preßgesetz sofort den 
Schluß, daß jede deutsche Regierung dem Bunde wie den einzelnen 
Bundesstaaten für das Wohlverhalten ihrer Presse verantwortlich sei: 
auf Anrufen einer beleidigten Regierung oder nach freiem eigenen Er- 
messen sollte der Bundestag auch seinerseits Zeitschriften und Bücher ver- 
bieten; der Herausgeber einer also unterdrückten Zeitung aber durfte — 
gemäß der Teplitzer Abrede — binnen fünf Jahren nicht wieder zu einer 
Redaktion zugelassen werden. Diese Verantwortlichkeit der souveränen 
deutschen Fürsten vor einer Gesandtenkonferenz war allerdings eine staats- 
rechtliche Ungeheuerlichkeit; aber da die Karlsbader Staatsmänner alle- 
samt die Presse als ihren gemeinsamen Feind betrachteten, so nahmen 
sie selbst diesen Eingriff in das Heiligtum der Souveränität ohne Wider- 
spruch hin, sie hielten für selbstverständlich, daß jede wohlgesinnte Re- 
gierung unter allen Umständen die Unterdrückung einer Zeitung freudig 
begrüßen würde. Hardenberg zeigte auch diesmal, wie vollständig ihn die 
Partei Wittgensteins jetzt beherrschte. Auf seinen ausdrücklichen Befehl 
mußte Bernstorff durchsetzen, daß die Zensurfreiheit erst für Schriften von 
mehr als zwanzig Bogen erlaubt wurde; Osterreich hatte schon die 
Schriften von mehr als fünfzehn Bogen frei geben wollen.“) 
Auch für ein anderes Gebiet unseres politischen Lebens wurden diese 
Preßverhandlungen folgenreich. Unter den Gründen nämlich, welche die 
Notwendigkeit der Zensur erweisen sollten, hob Metternich mit besonderem 
Nachdruck hervor, daß die Demagogen die Aburteilung der Preßvergehen 
ganz folgerichtig den Geschworenen anheimzugeben hofften. Das Schwur- 
gericht aber, samt dem öffentlichen und mündlichen Verfahren, ward 
von sämtlichen Mitgliedern der Konferenzen als ein Ariom der Revo- 
lution, wie Gentz sich ausdrückte, unbedingt verworfen. Die törichten Lob- 
preisungen, welche der badische Landtag dem Palladium der Volksfreiheit 
gespendet hatte, fanden jetzt die unvermeidliche Antwort. Es war der Fluch 
dieser Tage des Hasses und des Argwohns, daß beide Parteien sich nun- 
mehr einen Katechismus starrer politischer Dogmen bildeten, die, von 
beiden Seiten mit der ganzen Verbissenheit deutschen Parteihasses festge- 
halten, auf Jahrzehnte hinaus jede Verständigung verhinderten. Das ge- 
  
*) Hardenberg an Bernstorff, 25. Aug. 1819.
	        
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