Bundespreßgesetz. Demagogen. 565
heime Gerichtsverfahren, das doch nur dazu diente, den im ganzen höchst
achtungswerten deutschen Richterstand unverdienten Verdächtigungen aus-
zusetzen, erschien den Doktrinären der Reaktion als eine Stütze des „monar-
chischen Prinzips“.
Etwas lebhafter, aber auch keineswegs unfriedlich verliefen die Ver-
handlungen über das vierte Gesetz, das die Unterdrückung der demago-
gischen Umtriebe bezweckte. Obwohl bisher noch kein Anzeichen einer
revolutionären Bewegung entdeckt worden war, zu deren Bändigung die
bestehenden Gerichte nicht ausgereicht hätten, so stimmten doch alle Teil-
nehmer der Konferenzen überein in der Ansicht, daß die ungeheuere über
ganz Deutschland verzweigte Verschwörung nur durch eine außerordentliche
Bundes-Zentralbehörde bewältigt werden könne. Zweifelhaft blieb nur,
ob der Bund bloß die Untersuchungen leiten oder auch richten sollte.
Durch die Einsetzung eines außerordentlichen Bundesgerichts wäre die be-
stehende Gerichtsverfassung aller Bundesstaaten schwer verletzt und der
allgemein anerkannte Grundsatz, daß niemand seinem natürlichen Richter
entzogen werden dürfe, gebrochen worden. Daher wünschte Bernstorff,
daß man sich mit einer Zentral-Untersuchungskommission begnüge.) Der
Staatskanzler aber fragte Kircheisen und Kamptz um Rat, und dieser,
noch im ersten wilden Eifer der Demagogenjagd, fürchtete nichts so sehr
wie eine mögliche Freisprechung der Bonner Demagogen durch die rhei-
nischen Schwurgerichte, von denen in diesem Falle allerdings kein unpar-
teiischer Wahrspruch zu erwarten stand. Als tüchtiger Jurist wußte Kamptz
aber auch bessere Gründe für seine Ansicht anzuführen. Glaubte man
im Ernst an eine schwere den ganzen Bund bedrohende Gefahr — und
dieser Wahn bestand leider am preußischen Hofe — so war die Ein-
setzung einer Bundes-Untersuchungskommission unbestreitbar eine gefähr-
liche halbe Maßregel; denn bei der Mannigfaltigkeit der deutschen Ge-
richtsverfassungen konnte es gar nicht ausbleiben, daß die Urteile der
Gerichte über die Demagogen einander widersprachen, und die Bundes-
behörde, welche die Untersuchungen leitete, also dem allgemeinen Haß und
Spott verfiel. Darum erwiderte Hardenberg, die Bundes-Zentralkom-
mission sei nur dann wirksam, wenn sie auch richten dürfe; auch im alten
Reiche hätten die Reichsgerichte den Landfriedensbruch stets unmittelbar
vor ihr Forum gezogen.) Er übersendete zugleich einen Entwurf für die
Errichtung eines provisorischen Bundesgerichts, welchen Bernstorff nun-
mehr verteidigen mußte.
Die meisten der Karlsbader Staatsmänner zeigten sich anfangs dem
preußischen Vorschlage geneigt, auch Metternich stimmte aus vollem Herzen
bei. Da erhob sich ganz unerwartet ein mächtiger Gegner: Kaiser Franz.
*) Bernstorff an Hardenberg, 8. Aug. 1819.
**) Hardenberg an Bernstorff, 13. Aug. 1819.