Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

582 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe. 
man ihn aus Preußen vertrieb, erflehte er noch Gottes Segen für diesen 
König und diesen Staat, denen er mit seiner besten Kraft gedient habe. 
Trotziger trat Görres auf. Von seinem Freunde Willemer rechtzeitig 
gewarnt entzog er sich, als sein Buch über Deutschland und die Revolution 
erschienen war, der drohenden Verhaftung durch die Flucht und forderte 
dann von Straßburg aus freies Geleit: nur vor den Geschworenen seiner 
rheinischen Heimat wolle er Rede stehen. Auf solche Verhandlungen mit 
einem Angeklagten durfte die Krone sich nicht einlassen; aber auch das 
Schwurgericht wollte ihm der König nicht bewilligen, denn nachdem die 
Stadt Koblenz sich soeben in einer recht anmaßenden Bittschrift für ihren 
Mitbürger verwendet hatte, ließ sich unschwer voraussehen, daß die Rhein- 
länder diesen Prozeß zu einer gehässigen Kundgebung gegen die preußische 
Herrschaft mißbrauchen würden. Nach den Anschauungen des alten Absolu- 
tismus hielt sich der König berechtigt, in Fällen politischer Gefahr selber 
die Richter zu bezeichnen und ward auch nicht anderen Sinnes, als die 
rheinischen Staatsprokuratoren erklärten, zu einer Kriminaluntersuchung 
liege kein Anlaß vor; er meinte seine Befugnisse nicht zu überschreiten, da 
er den Flüchtigen durch Hardenberg bedeuten ließ: zuerst habe Görres dem 
Haftbefehle zu gehorchen und dann abzuwarten, vor welches Gericht der 
Monarch ihn stellen werde. Görres aber sah in dem Verfahren des 
Königs einen Eingriff in die rheinische Freiheit und weigerte sich Straß- 
burg zu verlassen. 
Die ohnehin verstimmte öffentliche Meinung brauste in hellem Zorne 
auf, als der Herausgeber des Rheinischen Merkurs dergestalt — zwar 
nicht ohne Grund, aber doch nur wegen unbedachter Worte und unter 
Verletzung der Rechtsformen — von dem preußischen Staate ausgestoßen 
und von seinen alten Todfeinden, den Franzosen, denen er jetzt freilich 
nicht mehr schaden konnte, mit unverhohlener Schadenfreude großmütig 
beschützt wurde. Im Verkehr mit den Straßburger Jesuiten ward Görres 
bald gänzlich für jene klerikalen Bestrebungen gewonnen, denen er sich 
schon in Koblenz genähert hatte; der unstete Romantiker, der einst in 
mächtigen Dithyramben die Siegesflüge des schwarzen Adlers gefeiert, ent- 
warf sich jetzt, durch kirchlichen und politischen Haß verblendet, ein gräß- 
liches Zerrbild von der preußischen Monarchie, dem Staate der protestan- 
tischen Verstandesdürre und der toten bureaukratischen Regel. Diesen 
„ungestalten starren Knochenmann“ im Namen deutscher und katholischer 
Freiheit zu bekämpfen blieb fortan sein Stolz. 
Außer Görres hatten sich auch C. Th. Welcker und gegen fünfzig von 
der Demagogenverfolgung bedrohte Schriftsteller, Studenten, Buchdrucker 
in Straßburg eingefunden. Dies Elsaß, das die Deutschen vor vier Jahren 
vom welschen Joche hatten befreien wollen, bot jetzt den deutschen Unzu- 
friedenen ein Asyl, und mancher der Vertriebenen gestand seinen radikalen 
Straßburger Freunden, sie hätten doch recht getan bei dem freien Frank-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.