Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Humboldts Kampf gegen das Staatskanzleramt. 597 
schreiben an den König, das von den früher abgegebenen Gutachten der 
einzelnen Minister seltsam abstach. Die Hauptfragen der Kabinettsordre 
vom 11. Januar, hinsichtlich des Erziehungswesens, der Presse, der Unbot— 
mäßigkeit der Beamten, berührte Humboldts Bericht nur obenhin; der 
Kern seiner Ausführungen lag in der mehrfach wiederholten Behauptung, 
daß infolge der Stellung des Staatskanzlers „von dem Begriff einer 
Zentralisierung der Verwaltung im Staatsministerium mit gemeinsamer 
Verantwortlichkeit kaum eine Spur zu erkennen sei“. Er verlangte demnach 
völlige Verschmelzung des Staatskanzleramts mit dem Ministerium, so daß 
der Staatskanzler den Vorsitz im Staatsministerium führen, über alles 
Auskunft erhalten, in drängenden Fällen auch unmittelbar verfügen sollte; 
die Protokolle des Staatsministeriums seien fortan dem Könige einzureichen, 
und kein Vorschlag dürfe an den Monarchen gelangen ohne Vorwissen des 
beteiligten Ministers. 
Im übrigen wußten die Minister nur wenige positive Vorschläge auf— 
zustellen. Sie deuteten leise an, daß „Einige von uns“ mit noch stärkerer 
Zuversicht als Se. Majestät auf den gesunden Sinn der Mehrheit der 
Nation vertrauen; sie sprachen die Hoffnung aus, über die letzten polizei— 
lichen Untersuchungen noch näher unterrichtet zu werden, und wünschten, 
daß die geheime Polizei „in dem was sie getan hat das Licht nicht scheuen 
müsse.“ Dazwischen hinein dann einige ganz unbestimmte Klagen über 
„das Schwankende der Hauptverwaltungsgrundsätze“ und manche völlig 
ungerechte oder geradezu frivole Beschwerden. So ward im voraus der 
Stab gebrochen über die unumgängliche Steuerreform: „neue Auflagen, 
die sehr bedenklich sind, sollten vermieden werden.“ So ward der König 
gebeten, die Verfassung nicht ohne den Rat des Staatsministeriums dem 
Lande zu verleihen; und doch gehörten sämtliche Minister zu der großen 
Verfassungskommission vom Jahre 1817, welcher die Entwürfe des neuen 
kleinen Ausschusses selbstverständlich noch vorgelegt werden sollten.) 
Der Bericht mußte, falls er die Genehmigung des Monarchen fand, 
unvermeidlich den Rücktritt des Staatskanzlers herbeiführen, obgleich von 
allen Ministern wohl nur Humboldt selbst diese Wirkung beabsichtigte. 
Da Hardenberg kein Fachministerium mehr bekleidete, und wegen seiner 
Taubheit den Vorsitz im Staatsministerium schlechterdings nicht führen 
konnte, so wurde er durch Humboldts Vorschläge jeder Macht beraubt, 
und an die Stelle der bestehenden Einheit, deren schwere Gebrechen sich 
allerdings nicht verkennen ließen, trat ein vielköpfiges kollegialisches Re- 
giment ohne Willen, ohne Leitung. Wer konnte einen solchen Wechsel 
wünschen nach allen den kläglichen Beweisen von Zwietracht und Rat- 
losigkeit, welche dies Ministerium in den letzten Monaten gegeben? Auch 
  
*) Bericht des Staatsministeriums an den König, 26. Aug., mit Randbemerkungen 
des Staatskanzlers vom 10. Sept. 1819.
	        
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