Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

616 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe. 
nalen Zollwesen einzufügen, ging das überaus unklare, widerspruchsvolle 
Schriftstück schweigend hinweg. Metternich wurde durch diesen Antrag, 
welchem Osterreich sich schlechterdings nicht fügen konnte, unangenehm 
überrascht und versuchte sogar die Kompetenz des Bundes in Zweifel zu 
ziehen. „Der Handel"“ — so behauptete er — „seine Ausdehnung wie 
seine Beschränkung gehört zu den ersten Befugnissen der Souveränität.“ Zur 
Mißhandlung der Universitäten, von denen die Bundesakte kein Wort 
sagte, war der Bund, nach der k. k. Doktrin, unzweifelhaft befugt; aber die 
Verkehrsfreiheit, welche der Bundesvertrag ausdrücklich in Aussicht stellte, 
verstieß gegen die Souveränität der Bundesstaaten. Drastischer konnte das 
Verhältnis der Hofburg zu den Lebensfragen der deutschen Nation unmög- 
lich bezeichnet werden. Auf das wiederholte Andrängen Badens und Würt- 
tembergs erklärte sich der österreichische Staatsmann zuletzt doch bereit, die 
Zollfrage auf die Tagesordnung der bevorstehenden Wiener Konferenzen zu 
setzen. Er wußte wohl, was von solchen Beratungen zu erwarten sei. 
Unterdessen hatte auch der beste Kopf unter den badischen Finanz- 
männern, Nebenius, seine Gedanken über die Bedingungen der deutschen 
Verkehrsfreiheit in einer geistvollen Denkschrift niedergelegt, einer Privat- 
arbeit, welche zwar niemals, auch nicht mittelbar, auf die Entwicklung 
des Zollvereins irgend einen Einfluß ausgeübt hat, aber durch Klarheit 
und Bestimmtheit alles übertraf was damals von Privatleuten über 
deutsche Handelspolitik geschrieben wurde. Der gelehrte Verfasser der 
badischen Konstitution errang sich schon in jenen Jahren durch seine 
Schrift über die englische Staatswirtschaft ein wissenschaftliches Ansehen, 
das späterhin, seit dem Erscheinen seines Werkes „der öffentliche Kredit" 
noch höher stieg; dies klassische Buch kann niemals ganz veralten, es wird, 
wie Ricardos Werke, dem angehenden Nationalökonomen immer unschätz- 
bar bleiben als eine Schule strengen methodischen Denkens. Auch seine 
um Neujahr 1819 verfaßte handelspolitische Denkschrift verrät überall den 
sicheren Blick des gewiegten Kenners. Sie wurde im April 1819 ver- 
traulich den badischen Landtagsmitgliedern mitgeteilt und dann im Winter 
den Wiener Konferenzen durch Berstett als ein beachtenswertes Privat- 
gutachten überreicht. Maassen freilich, Klewitz und die anderen Urheber 
des preußischen Zollgesetzes konnten aus den Ratschlägen des badischen 
Staatsmannes nichts lernen. Für sie war das richtige in seiner Denk- 
schrift nicht neu, das neue nicht richtig. 
Die Denkschrift tritt, in den behutsam schonenden Formen, welche 
Nebenius liebte, entschieden gegen das preußische Zollgesetz auf. Sie hebt 
die Ubelstände dieses Systems scharf heraus, ohne die Lichtseiten zu er- 
wähnen. Sie stellt den Satz hin: „kein deutscher Staat, Osterreich aus- 
genommen, vermag sein Gebiet gegen überwiegende fremde Konkurrenz 
wirksam zu schützen“ — eine Behauptung, welche Preußens Staatsmänner 
soeben durch die Tat zu widerlegen begannen. Die Urheber des Gesetzes
	        
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