Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

624 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe. 
alsdann mit Preußen in Zollverbindung treten solle; sie zeichnet also genau 
den Weg vor, welcher vierzehn Jahre später zu der handelspolitischen Ver— 
einigung Preußens und Thüringens geführt hat. 
Im selben Sinne versicherte die Staatszeitung amtlich, „daß Preußen 
schon seiner Lage wegen, mehr aber noch, weil die Vereinigung des Einzel— 
Interesses der deutschen Bundesstaaten zu einem Gesamt-Interesse für 
Preußen vorzüglich wünschenswert sei, zu dem Plane einer völligen Han- 
delsfreiheit zwischen den Bundesstaaten die Hand zu bieten am ehesten 
geneigt sei, und daß es am liebsten die Schwierigkeiten gehoben sehen 
werde, die sich der Ausführung entgegenzustellen schienen.“ Und als gegen 
Weihnachten 1819 Abgeordnete des Listschen Vereins nach Berlin kamen, 
um die Regierung für einen deutschen Mautverband zu gewinnen, da er- 
hielten sie von Hardenberg und drei Ministern die Versicherung: „daß die 
preußische Regierung, weit entfernt, durch einseitige Maßregeln den Wohl- 
stand der deutschen Nachbarstaaten untergraben zu wollen, sich freuen 
würde, wenn alle Regierungen Deutschlands über die Grundsätze eines 
gemeinschaftlichen, die Wohlfahrt aller Teile fördernden Handelssystems 
sich vereinigen könnten, wozu die preußische Regierung sehr gern die Hände 
bieten werde, um ihrerseits mitzuwirken, daß dem ganzen Deutschland die 
Wohltat eines freien, auf Gerechtigkeit gegründeten Handels zu teil werde. 
Es ist ihnen aber auch nicht verhehlt worden, daß der Zustand und die 
Verfassung der einzelnen deutschen Staaten noch keineswegs zu gemeinsamen 
Anordnungen vorbereitet erscheine; wozu auch besonders gehöre, daß die 
gemeinsamen Anordnungen in einem gemeinsamen Sinne von allen ge- 
halten würden. Die Sache scheine daher jetzt nur darauf zu führen, daß 
einzelne Staaten, welche sich durch den jetzigen Zustand beschwert glaubten, 
mit denjenigen Bundesgliedern, von denen nach ihrer Meinung die Be- 
schwerden veranlaßt werden, sich zu vereinigen suchten und daß auf diesem 
Wege übereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weiter ge- 
leitet würden, welche den Zweck hätten, die inneren Scheidewände mehr 
und mehr wegfallen zu lassen.“) 
Damit war rund und nett der Grundgedanke einer nationalen Handels- 
politik ausgesprochen, welche bei der Nichtigkeit des Bundestages die einzig 
mögliche war. Deutlicher als Preußen sprach, konnte eine Regierung über 
noch unfertige Entwürfe schlechterdings nicht reden. Aber in der epidemischen 
Verblendung, die nunmehr über die öffentliche Meinung hereinbrach, in 
dem donnernden Lärm der Anklagen, die auf das absolutistische Preußen her- 
niederprasselten, wurden die offenkundigen Worte und Taten des Berliner 
Kabinetts völlig vergessen. Man redete sich hinein in den Wahn, daß Preußen 
sich selbstgefällig von dem großen Vaterlande absondere. Alles schalt auf 
den Berliner Hochmut und Partikularismus, am lautesten jene kleinen Höfe, 
  
*) Preußische Staatszeitung 1819 Nr. 131. Ebendaselbst, 28. Dez. 1819.
	        
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