626 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe.
frage belästigt, ob sie nun endlich bereit sei eine Verfügung aufzuheben,
welche so gröblich in die Rechte der Sondershausener Souveränität ein-
greife. Der Fürst selber richtete an den König die „devoteste Bitte“, ihn
„durch einen neuen Beweis Allerhöchstdero allgemein verehrter und geprie-
sener Liberalität und Großmut zum unbegrenztesten und devotesten Danke
zu verpflichten.““) Alles war vergeblich; die untertänige Form konnte
über den anmaßenden Inhalt der Bittschriften nicht täuschen. Dann kam
der Kanzler von Weise selbst nach Berlin, ein wackerer alter Herr, der im
Verein mit seinem Sohne, dem Geheimen Rat, das Sondershausener
Ländchen patriarchalisch regierte. Auch er richtete nichts aus.
Mittlerweile hatte sich Vizepräsident von Motz in Erfurt des Streites
angenommen. Er kannte alle Herzensgeheimnisse der Kleinstaaterei, da
sein Regierungsbezirk mit fast einem Dutzend kleiner Landesherrschaften im
Gemenge lag; er war mit den beiden Weise als guter Nachbar vertraut
geworden und erwarb sich jetzt um Deutschlands werdende Handelseinheit,
die ihm bald noch größeres verdanken sollte, sein erstes Verdienst, indem
er den Freunden vorstellte, wie kindisch es sei an einer Zollhoheit festzu-
halten, die doch niemals in Wirksamkeit treten konnte.“s) Der kunstsinnige
Fürst wünschte längst, im freundlichen Tale der Wipper ein Sonders-
hausener Nationaltheater zu gründen, aber die Mittel fehlten; schloß er
sich dem preußischen Zollwesen an, so war ihm aus der Not geholfen.
Diese Erwägung wirkte.
Gegen Ende September erschien der alte Weise wieder in Berlin, und
da er diesmal ernstlich verhandeln wollte, so ward er mit großer Freund-
lichkeit aufgenommen. Maassen und Hoffmann führten die Unterhandlung,
unter beständiger Rücksprache mit Eichhorn. Noch unbekannt mit der
Nebeniusschen Denkschrift stellte Hoffmann zuerst den Gedanken auf: das
einfachste sei doch, die gemeinsamen Zolleinnahmen ohne fiskalische Klein-
lichkeit nach der Volkszahl zu verteilen.“) Damit war jener Bevölkerungs-
maßstab gefunden, der allen späteren Zollverträgen Preußens zur Grund-
lage gedient hat. Weise ging sofort auf das günstige Anerbieten ein, und am
25. Okt. 1819 wurde der erste Zollanschluß-Vertrag unterzeichnet, kraft
dessen der Fürst von Sondershausen „unbeschadet seiner landesherrlichen
Hoheitsrechte“ seine Unterherrschaft dem preußischen Zollgesetz unterwarf
und dafür nach dem Maßstabe der Bevölkerung seinen Anteil an den Zoll-
einnahmen — vorläufig eine Bauschsumme von 15,000 Tlr. — erhielt.
Eine Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung wurde dem kleinen Verbündeten
nicht zugestanden; er mußte die Handelsverträge Preußens und alle anderen
Anderungen, welche das Finanzministerium beschloß, einfach annehmen.
*) Kanzler v. Weise an Hoffmann, 23. April; Fürst Günther an König Friedrich
Wilhelm, 29. Juli 1819.
**) Nach den Aufzeichnungen von Motzs Tochter, Frau von Brinken.
*““) Hoffmann an Maassen, 10. Okt. 1819.