628 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe.
lungen zurück. An die Spitze der Gegner Preußens stellte sich der Herzog
von Cöthen. Der erklärte im Namen der kleinen Fürsten: „freiwillig können
und werden sie sich nicht unterwerfen, wenn sie nicht die heiligsten Pflichten
gegen ihre Untertanen, gegen ihre Häuser und gegen ihre eigene Ehre
verletzen wollen;“ dann forderte er getrost, Preußen solle ihm einen fünf
Stunden breiten Streifen zollfreien preußischen Gebietes bis zur sächsischen
Grenze zur Verfügung stellen, damit das Haus Anhalt freien Zugang zum
Welthandel erlange. Gemütlich lauernd und im stillen schürend stand
hinter den erbitterten Kleinen der treue Bundesgenosse Preußens, Osterreich.
Die Höfe beschlossen insgeheim, auf den Wiener Konferenzen mit vereinter
Kraft die Aufhebung des preußischen Zollgesetzes durchzusetzen; nur wenn
der vorhandene Anfang deutscher Zolleinheit vom Erdboden verschwand,
konnte der Bundestag die nationale Handelspolitik begründen! Und an
dieser Raserei partikularistischer Leidenschaft nahm die gesamte Nation
außerhalb Preußens willig teil. Alle die Lieder und Reden zum Preise
der deutschen Einheit waren vergessen, sobald Preußen sich anschickte, den
Deutschen „die Wohltat eines gemeinsamen Vaterlandes zu gewähren“.
Preußens Staatsmänner hatten gehofft, schon in dem ersten Jahre,
da das neue Gesetz bestand, einige der deutschen Nachbarn für die Politik
der praktischen deutschen Einheit zu gewinnen. Jetzt sahen sie sich in die
Verteidigung zurückgeworfen. Der siegreiche Kampf um die Behauptung,
dann um die Erweiterung des Zollgebietes blieb auf Jahre hinaus die
wichtigste Aufgabe der preußischen Staatskunst. Durch die friedlichen Er-
oberungen dieses Kampfes hat König Friedrich Wilhelm gesühnt was in
Karlsbad gefehlt war und die Marksteine gesetzt für das neue Deutschland.
Er war der rechte Mann für dies unscheinbare und doch so folgenschwere
Werk deutscher Geduld. Gleichmütig und immer bei der Sache, treu und
beharrlich, von einer Rechtschaffenheit, die jedes Mißtrauen entwaffnete, stets
bereit dem bekehrten Gegner mit aufrichtigem Wohlwollen entgegenzukommen
— so hat er nach und nach die Trümmer Deutschlands befreit aus den
Banden eigener Torheit und ausländischer Ränke, den Weg bereitend für
größere Zeiten. Die Gegenwart aber soll nicht undankbarer sein als
Friedrich der Große war, der von dem glanzlosen Arbeitsleben seines Vaters
sagte: „der Kraft der Eichel danken wir den Schatten des Eichbaums, der
uns deckt.“ —