Die Symboliker. 75
und Junkern bedroht war, die beiden rothaarigen Schurken Görres und
Creuzer das Volk Luthers nach Rom zurückführen wollten. Alles, was
sich aufgeklärt und liberal nannte, jubelte dem Zornmutigen zu, als er
seine groben Streitschriften wider die Symboliker hinaussandte; Voß ge—
wöhnte die Liberalen zuerst an den gehässigen Ton eines Gesinnungs-
terrorismus, der hinter abweichenden Meinungen stets verworfene Absichten
suchte. Recht und Unrecht erschienen in diesem Streite ebenso seltsam ge—
mischt, wie in den gleichzeitigen Kämpfen der politischen Parteien. Wenn
Voß und Hermann sich der Klarheit und Bestimmtheit rühmen durften,
so zeigte Creuzer unzweifelhaft mehr Geist; wenn jene sich als die schär—
feren Kritiker erwiesen, so bewährte dieser ein ungleich tieferes Verständ—
nis für die Religion, für das verborgene Gemütsleben der Völker. Auf
manchem der Wege, welche der Symboliker zuerst in phantastischen Sprüngen
durcheilte, wandelt heute die besser ausgerüstete Wissenschaft mit sicherem
Schritt.
So haderten die Philologen untereinander und bemerkten noch kaum,
wie ihnen allen ein gemeinsamer Feind heranwuchs, die banausische
Gesinnung der Geschäftswelt. Da der ausschließlich klassische Unterricht
der Gymnasien den wachsenden Ansprüchen des wirtschaftlichen Lebens
allerdings nicht mehr genügen konnte, so erhob sich schon bald nach den
Kriegen der Ruf nach Reformen. Den Fanatikern der Nützlichkeit erschien
nur lernenswert, was sich in Geschäft und Unterhaltung unmittelbar
gebrauchen ließ; die moderne Vorliebe für oberflächliche Vielwisserei und
der Haß der Aufklärung gegen alles Altüberlieferte taten das Ihre hinzu.
In Baden wurde das Verlangen nach Beschränkung des klassischen Un-
terrichts bald unter die Hauptsätze des liberalen Parteiprogramms auf-
genommen; in Preußen war Schön der eifrige Gönner dieser Bestrebungen,
welche den tiefsten Grund der deutschen Bildung bedrohten und erst nach
langen Jahren sich etwas abklären sollten.
Die Fruchtbarkeit der neuen Gelehrtengeneration schien unerschöpflich;
fast im nämlichen Augenblicke, da die historische Rechtslehre, die historische
Grammatik und die vergleichende Sprachforschung entstanden, schuf Karl
Ritter die neue Wissenschaft der vergleichenden Erdkunde. Trotz der großen
Entdeckungen des sechzehnten und des achtzehnten Jahrhunderts war die
Geographie bisher doch nur eine reichhaltige Sammlung von statistischen,
historischen, physikalischen Notizen ohne innere Einheit geblieben. Niemand
fragte mehr, was wohl einst Strabo gemeint haben mochte als er für die
Geographie eine philosophische Behandlung forderte und das „vielgestaltige“
Europa glücklich pries neben Asiens einförmiger Küstenbildung. Erst in
diesen Tagen des erstarkenden historischen Sinnes erwachte auch die Ein-
sicht, daß die Erde das Erziehungshaus der Menschheit und der Schau-
platz ihrer Taten ist, und die Erdkunde mithin zunächst zu erforschen
hat, wie die Gestaltung der Erde bedingend und bestimmend auf die