Religiöse Gesinnung des Kronprinzen. 121
mischung geistlicher und weltlicher Dinge; er dachte die Tage noch zu er—
leben, da er die oberstbischöfliche Gewalt in die Hand der Kirche selbst
würde zurückgeben können, und verhehlte nicht, daß er die gegenwärtige
Verfassung der evangelischen Landeskirche nur als einen Uebergangszustand
ansah. „Seit König Friedrich II.“, so schrieb er in diesen Tagen, „hat
man sich bemüht, in den Geistlichen nichts als Staatsdiener zu sehen, und
dieser unglücklichen Verkehrtheit schreibe ich großentheils das ungeist—
liche Leben so vieler! unserer Geistlichen zu.““) Das Idealbild der
Kirchenfreiheit beschäftigte den Kronprinzen in seinen besten Stunden; die
Frage, wie sich der souveräne Staat neben dieser freien Kirche behaupten
solle, stand ihm erst in zweiter Reihe.
Unzertrennlich war diese Kraft des religiösen Gefühls mit der reichen
künstlerischen Begabung Friedrich Wilhelms verbunden. Manche hielten
ihn schlechtweg für eine Künstlernatur. Aber wie hätte die höfische Er-
ziehung ihm bieten können was dem Künstler die Luft des Lebens ist:
Natur und Freiheit! Er hatte des Schönen überviel, und mit seligem
Entzücken, gesehen; doch den goldenen Boden des Handwerks, dem die
gesunde Kunst entsprießt, kannte er nicht, und die rechte Künstlerwonne,
das fröhliche Wandern mit dem Ränzel auf dem Rücken, blieb dem Königs-
sohne versagt. So zeigten sich doch bald in seinen künstlerischen Versuchen
die Spuren eines überbildeten Sinnes; seine Baupläne und Zeichnungen
waren allesammt eigenthümlich, manche überaus geschmackvoll, aber auch
manche schrullenhaft, überladen mit geistreichen Motiven, die keinen Gesammt-
eindruck aufkommen ließen. Auch sein ästhetisches Urtheil blieb nicht frei
von dieser Neigung zum Absonderlichen. Er bezeigte jedem Talente, das
neu auftauchte, freudige Theilnahme und ging auf Schinkels Pläne mit
einem Verständniß ein, das den Meister in Erstaunen setzte; er betrieb
mit enthusiastischem Eifer den Wiederaufbau der Marienburg, und das
sollte ihm ein Fest sein, wenn er dereinst seinen Niebuhr nach Griechen-
land senden könnte um die Wunderwerke der hellenischen Kunst, die dort
noch im Boden schlummerten, ausgraben zu lassen. Seine Lieblinge unter
den Kunstwerken aller Zeiten blieben gleichwohl die Basiliken von Ravenna,
jene ernsten Bauten, die an der Grenze zweier Weltalter aufgerichtet, dem
schlichten Sinne wohl ehrwürdig und geschichtlich lehrreich, doch nimmer-
mehr einfach schön erscheinen können. Dort fühlte er sich glücklich, in der
einsamen Apollinariskirche, wo die heiligen Bilder altchristlicher Kunst steif
und feierlich von dem Goldgrund der Wände niederschauen; in dieser
Dämmerwelt sah er Heidenthum und Christenthum, Morgenland und
Abendland, Gothen, Byzantiner und Römer vor seinen ahnenden Blicken
phantastisch durcheinander spielen.
Seine politischen Ansichten hatte er sich erlebt in den Leidensjahren
*) Separatvotum des Kronprinzen, 14. Febr. 1820.