Der Kronprinz und Hardenberg. 129
tadelnden Sinne genialisch heißen konnte. Auf Hardenberg's Rath wurde
der Kronprinz schon gleich nach dem Kriege in das Staatsministerium
eingeführt“), und da er es dort wie nachher im Staatsrathe nicht an
feinen Bemerkungen fehlen ließ, so glaubte der bescheidene König bald
in „seinem Fritz“ ein überlegenes staatsmännisches Talent zu entdecken,
während er in Wahrheit selber einen ungleich schärferen politischen Blick
besaß als der Thronfolger. Mit dem geistreichen alten Staatskanzler
unterhielt sich der Kronprinz gern, wie er denn im geselligen Verkehr das
schöne Vorrecht der königlichen Unparteilichkeit immer ausübte und mit
Staatsmännern jeder Richtung, mit W. Humboldt, Schön, Niebuhr —
wenn sie nur Geist hatten — freundschaftlich umging. Während des
Kampfes um die Steuerreform schrieb er dem Staatskanzler einmal:
„Und das Eine müssen Sie mir glauben, daß die Worte: Freundschaft,
Vertrauen, Verehrung keine leeren Laute in meinem Munde sind
— und wahrlich weiß ich keine anderen zu gebrauchen, wenn ich von
meinem Verhältniß zu Ihnen rede.“ Im Augerblicke des Niederschreibens
mochte er, leicht erregbar wie er war, solche Gefühle auch wirklich hegen.
Ein festes, dauerndes Zutrauen zu dem alten Herrn, der so ganz ein
Kind des achtzehnten Jahrhunderts war, vermochte er doch nie zu fassen.
Der bureaukratisch-liberale Zug der Hardenbergischen Politik blieb ihm
verdächtig, und über das anstößige häusliche Leben des Kanzlers äußerte
er sich sehr bitter.
Die Zusage der landständischen Verfassung erfüllte den Kronprinzen
mit frohen Hoffnungen, da er den gestrengen alten Absolutismus immer
nur als einen Nothbehelf betrachtet hatte. Aber — daran war ihm
kein Zweifel — auf den wiedererweckten, ständisch gegliederten alten Land-
tagen mußte der Adel eine mächtige Stellung behaupten, ein Stand, dessen
Zukunft den Prinzen überhaupt lebhaft beschäftigte. In einer der wenigen
Denkschriften, die sich von ihm aus diesen Jahren vorfinden, erörtert er
sehr ausführlich die Frage, ob den Häuptern der reichsunmittelbaren Ge-
schlechter der Titel „regierender Fürst“ gebühre — was er bejaht — und
verwirft für diese Häuser den unhistorischen Namen der Standesherren,
der nur für die privilegirten Baronate Schlesiens und der Lausitz gelten
könne: „jetzt vorzüglich, da das ständische Wesen im Werke ist, darf keine
Verwirrung in dem Charakter der großen Familien des Landes erzeugt
werden.“““) Nicht minder fest stand ihm die Meinung, daß die neuen
Provinzialstände sich an die althistorischen Territorien anschließen müßten;
darum hieß er die altständische Bewegung der jülich-cleve-märkischen Edel-
leute willkommen und dankte ihnen, daß sie „ihr Augenmerk dahin richteten
dem Neuen ein bewährtes Fundament unterzulegen“. Die schwierige Frage,
*) Hardenberg's Tagebuch, 28. Dec. 1815.
*“) Separatvotum des Kronprinzen, 11. Mai 1822.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 9