Besorgnisse der kleinen Höfe. 171
Staatensystems“ zu werden.“) Wenn ein hochconservativer Centralist also
redete, was mochten die particularistischen Liberalen empfinden! Für den
Augenblick war diese Verstimmung der kleinen Höfe unschädlich, aber sie
konnte gefährlich werden, wenn der Zwiespalt im Schooße der großen
Allianz fortwährte. Als die Troppauer Conferenz zu Weihnachten geschlossen
wurde, trennte man sich nicht in heiterer Stimmung. Die Politik der
Legitimität verlangte starke Nerven. Mitten in der fröhlichen Festzeit, bei
grimmiger Kälte unternahmen die beiden Kaiser und ihr diplomatisches
Gefolge die beschwerliche Reise nach Wien um nach kurzer Rast das
mühselige Friedenswerk in Laibach abzuschließen. —
Zwei beglückende Gedanken nahm Metternich doch von dem Congresse
mit hinweg: er durfte bestimmt auf eine glückliche Lösung der neapoli-
tanischen Verwicklung rechnen, und er wußte jetzt nahezu sicher, daß die
gefürchtete preußische Verfassung in einer absehbaren Zukunft nicht zu
Stande kommen würde. Als König Friedrich Wilhelm in Troppau ein-
traf, befand er sich in einer Verstimmung, welche der Oesterreicher jetzt
ebenso leicht wie einst in Teplitz für seine Zwecke ausbeuten konnte; er
war unzufrieden mit den mißrathenen Communalordnungs-Entwürfen und
seit dem Erscheinen der Benzenbergischen Schrift dermaßen aufgebracht gegen
seinen Kanzler, daß dieser ihn während des Congresses kaum zu Gesicht
bekam. Hardenberg hielt zwar mehrere ernste Unterredungen mit General
Witzleben, dem treuen Förderer der Verfassungsarbeit, und besprach mit
ihm die Zusammensetzung der künftigen Reichsstände, die geheime Reaktion
am Hofe, alle die versteckten Hemmnisse, die sich seinen Plänen in den
Weg stellten. Der König aber ließ dem Staatskanzler trocken sagen, er
wolle über die Verfassungssache erst in Berlin mit ihm verhandeln.“)
Unterdessen blieb der liebe Heimliche der Hofburg, Fürst Wittgenstein, des
Monarchen täglicher Begleiter, und noch einen zweiten ergebenen Freund
erwarb sich Metternich an dem Kronprinzen. Dieser junge Herr war
schon mehrere Wochen vor seinem Vater nach Troppau gekommen, um
sich hier in die hohe Schule der europäischen Politik einführen zu lassen.
Die Oesterreicher hatten ihn sogleich in Beschlag genommen und er gefiel
den Wiener Diplomaten ungemein durch seine geistreiche Munterkeit wie
durch seine correkten Grundsätze. Er selber war ganz entzückt von allen
den Wundern christlich-legitimer Staatskunst, die ihm hier aufgingen, und
billigte jeden Schritt des großen Wiener Zauberers, sogar die Vorladung
des Königs von Neapel. Hardenberg versuchte auch sich mit „seinem
*) Blittersdorff's Denkschriften: an Frhr. v. Fahnenberg in München, 16. Nov.;
Ueber die wahrscheinlichen Ergebnisse des Congresses von Troppau, 24. Nov. 1820;
Einige Bemerkungen über die gegenwärtige Politik Württembergs (ohne Datum, aber
unverkennbar aus derselben Zeit); Betrachtungen über den gegenwärtigen politischen
Zustand Europas, 27. Febr. 1821.
*7“*) Hardenberg's Tagebuch, 9., 13., 20. Nov. 1820.