Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Besorgnisse der kleinen Höfe. 171 
Staatensystems“ zu werden.“) Wenn ein hochconservativer Centralist also 
redete, was mochten die particularistischen Liberalen empfinden! Für den 
Augenblick war diese Verstimmung der kleinen Höfe unschädlich, aber sie 
konnte gefährlich werden, wenn der Zwiespalt im Schooße der großen 
Allianz fortwährte. Als die Troppauer Conferenz zu Weihnachten geschlossen 
wurde, trennte man sich nicht in heiterer Stimmung. Die Politik der 
Legitimität verlangte starke Nerven. Mitten in der fröhlichen Festzeit, bei 
grimmiger Kälte unternahmen die beiden Kaiser und ihr diplomatisches 
Gefolge die beschwerliche Reise nach Wien um nach kurzer Rast das 
mühselige Friedenswerk in Laibach abzuschließen. — 
Zwei beglückende Gedanken nahm Metternich doch von dem Congresse 
mit hinweg: er durfte bestimmt auf eine glückliche Lösung der neapoli- 
tanischen Verwicklung rechnen, und er wußte jetzt nahezu sicher, daß die 
gefürchtete preußische Verfassung in einer absehbaren Zukunft nicht zu 
Stande kommen würde. Als König Friedrich Wilhelm in Troppau ein- 
traf, befand er sich in einer Verstimmung, welche der Oesterreicher jetzt 
ebenso leicht wie einst in Teplitz für seine Zwecke ausbeuten konnte; er 
war unzufrieden mit den mißrathenen Communalordnungs-Entwürfen und 
seit dem Erscheinen der Benzenbergischen Schrift dermaßen aufgebracht gegen 
seinen Kanzler, daß dieser ihn während des Congresses kaum zu Gesicht 
bekam. Hardenberg hielt zwar mehrere ernste Unterredungen mit General 
Witzleben, dem treuen Förderer der Verfassungsarbeit, und besprach mit 
ihm die Zusammensetzung der künftigen Reichsstände, die geheime Reaktion 
am Hofe, alle die versteckten Hemmnisse, die sich seinen Plänen in den 
Weg stellten. Der König aber ließ dem Staatskanzler trocken sagen, er 
wolle über die Verfassungssache erst in Berlin mit ihm verhandeln.“) 
Unterdessen blieb der liebe Heimliche der Hofburg, Fürst Wittgenstein, des 
Monarchen täglicher Begleiter, und noch einen zweiten ergebenen Freund 
erwarb sich Metternich an dem Kronprinzen. Dieser junge Herr war 
schon mehrere Wochen vor seinem Vater nach Troppau gekommen, um 
sich hier in die hohe Schule der europäischen Politik einführen zu lassen. 
Die Oesterreicher hatten ihn sogleich in Beschlag genommen und er gefiel 
den Wiener Diplomaten ungemein durch seine geistreiche Munterkeit wie 
durch seine correkten Grundsätze. Er selber war ganz entzückt von allen 
den Wundern christlich-legitimer Staatskunst, die ihm hier aufgingen, und 
billigte jeden Schritt des großen Wiener Zauberers, sogar die Vorladung 
des Königs von Neapel. Hardenberg versuchte auch sich mit „seinem 
  
*) Blittersdorff's Denkschriften: an Frhr. v. Fahnenberg in München, 16. Nov.; 
Ueber die wahrscheinlichen Ergebnisse des Congresses von Troppau, 24. Nov. 1820; 
Einige Bemerkungen über die gegenwärtige Politik Württembergs (ohne Datum, aber 
unverkennbar aus derselben Zeit); Betrachtungen über den gegenwärtigen politischen 
Zustand Europas, 27. Febr. 1821. 
*7“*) Hardenberg's Tagebuch, 9., 13., 20. Nov. 1820.
	        
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