B. Constant über die preußische Verfassung. 227
abgewiesen.“) Am Hofe aber besprach man mit wachsendem Beifall die
Ansicht des alten Marwitz: es sei ein toller Gedanke, einem so zusammen-
gesetzten Staate einen Reichstag zu geben. Ein anderer brandenburgischer
Grundherr, v. Rochow-Rekahn verkündete in einer dem Kronprinzen ein-
gereichten Denkschrift triumphirend: die Wiederbelebung der alten Provinzial-
stände trage in den beiden größten deutschen Staaten endlich den Sieg
davon „über die Einführung jenes trügerischen und revolutionären Con-
stitutionswesens“. Da es unbegreiflicherweise „noch immer selbst recht-
liche und wohlgesinnte Leute gebe, die in dem Letzteren nicht das Werk
des Wahns und der Lüge erblicken“, so möge der König in jeder Provinz
Vertreter der berechtigten Stände, aber nur ganz unzweifelhafte Gegner
der neuen verderblichen Theorien, versammeln um mit ihnen über die Her-
stellung der alten Landtage zu berathen.“) Auch ein literarischer Kämpe
des altständischen Particularismus war mittlerweile aufgetreten, derselbe
J. F. J. Sommer, der kürzlich als Westphalus Eremita die Unabhängigkeit
der römischen Kirche vertheidigt hatte. In seinem Buche „von deutscher
Verfassung im germanischen Preußen“ erklärte er für ganz unzweifelhaft,
daß sein altes kurkölnisches Herzogthum Westphalen noch fortbestehe, und
hoffte, die Krone werde schon noch einsehen, daß herzoglich westphälische
und markanische Brüder, wie sehr sie sich auch liebten, unmöglich in dem-
selben landräthlichen Kreise beisammen bleiben könnten.
Während also die Gegner immer zuversichtlicher auftraten, sah sich
Hardenberg gleich nach seiner Rückkehr durch eine Uebereilung ungeschickter
Freunde abermals schlimmen Verdächtigungen preisgegeben. Sein wunder-
thätiger Arzt Koreff hatte jene unglückliche Schrift Benzenberg's an
Benjamin Constant, den gefeierten Publicisten der französischen Doktrinäre,
gesendet mit der Aufschrift: de la part de Fauteur; er setzte voraus,
daß der Empfänger den Namen des Verfassers, der längst in allen deut-
schen Zeitungen stand, kennen müsse. Constant aber schloß aus den ihm
wohlbekannten Schriftzügen der Aufschrift, das Buch rühre von Koreff
selber her, und war freudig überrascht, die allein wahren Gedanken seines
constitutionellen Systems also durch den Vertrauten des preußischen
Staatskanzlers anerkannt zu sehen. Er ließ eine freie französische Be-
arbeitung der Schrift besorgen, versah sie mit selbstgefälligen Anmerkungen,
erklärte sie im Vorwort für ein officielles Buch und nannte kurzweg Koreff
als den Verfasser. Im März 1821 erschien das sonderbare Machwerk
unter dem dröhnenden Titel: Du triomphe inévitable et prochain
des principes constitutionnels en Prusse. Die kecken Sätze Benzen-
berg's kehren hier wieder im französischen Gewande, bis zum Unkenntlichen
*) Cabinetsordre an Schuckmann, 16. Febr.; Eingabe des Frhrn. v. Bodelschwingh-
Plettenberg und Gen. an den Staatskanzler, 21. April 1821.
*“) v. Rochow-Rekahn, eines Landedelmanns aus der Erfahrung abstrahirte Ansicht
über Provinzial-Ständeverfassungen, Febr. 1821.
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