Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Provinzialminister. 235 
aus, daß die Reichsstände früher oder später aus den Provinzialständen 
hervorgehen würden, und hielt darum für geboten, jetzt schon die Grund- 
lagen der Gesammtstaatsverfassung festzustellen. Am letzten Ende laufe 
die Frage darauf hinaus: „ob der Staat wieder eine Verbindung mehrerer 
Staaten werden oder ein Staat bleiben solle?“ Glücklicher als der Staats- 
kanzler selber vertheidigte er also die Gedanken Hardenberg's. Welch ein 
Unheil, daß diese beiden in der Sache so ganz einigen Männer durch 
unversöhnlichen persönlichen Groll einander entfremdet waren. General 
Witzleben, der anfangs auf Vincke's Seite gestanden hatte, zeigte sich auch 
diesmal zugänglich für einsichtigen Rath. Er wurde durch Humboldt und 
Hippel überzeugt, durch ihn der König. Die Altständischen sind dann 
noch mehrmals auf ihren Plan zurückgekommen. Marwitz empfahl sein 
Programm noch im Frühjahr 1823 dem Kronprinzen, und der badische 
Geschäftsträger v. Meyern, ein unbedeutender Mann, dessen Berichte wie 
ein Echo die Ansichten der reaktionären Partei wiedergeben, meldete nach 
Hardenberg's Tode: „Provinzialminister sind der allgemeine Wunsch.“) 
Aber der König hielt die Einheit der Verwaltung unbeirrt aufrecht. 
Bei ruhiger Prüfung erkannte man doch, daß die Klagen stark übertrieben 
und nur wenige der vorhandenen Beamten entbehrlich waren, wenn man 
nicht das altbewährte Collegialsystem mit der despotischen Präfekten- 
verwaltung vertauschen wollte. Die langwierigen Verhandlungen führten 
schließlich nur zur Aufhebung von drei Regierungen (Cleve, Reichenbach, 
Berlin) und zwei Oberpräsidentenstellen. Der Tod des Grafen Solms- 
Laubach im Jahre 1822 bot den Anlaß, das Großherzogthum Nieder- 
rhein mit Jülich-Cleve-Berg zu vereinigen und den wackeren alten Ingers- 
leben zum Oberpräsidenten dieser neuen Rheinprovinz zu ernennen. 
Währenddem betrieb Schön mit Feuereifer die Vereinigung von Ost= und 
Westpreußen. Der Wirkungskreis in Danzig genügte seinem Ehrgeiz nicht. 
Er fühlte sich als das natürliche Oberhaupt des gesammten altpreußischen 
Landes und betrachtete, wie alle echten Ostpreußen, das Weichselland nur 
als ein Trümmerstück des glorreichen Ordensstaates, das jetzt wieder ganz 
zu der alten Heimath zurückkehren müsse. Hatte doch Friedrich der Große 
einst beide Landschaften unter Domhardt's Leitung gestellt und auch Auers- 
wald in den napoleonischen Tagen beide Provinzen zugleich verwaltet.“) 
Für das geistige Leben beider Lande war Königsberg der Mittelpunkt, 
fast in gleichem Maße wie Breslau für Schlesien, während Danzig immer 
nur eine Handelsstadt blieb; auch schien es rathsam, dem Polenthum in 
Westpreußen ein starkes Gegengewicht zu geben. Freilich waren die Ent- 
fernungen ungeheuer und das Reisen auf den schlechten Wegen selbst mit 
  
*) Meyerns Bericht, 10. April 1823. 
**) Denkschrift über die Vereinigung von Ost= und Westpreußen, 11. Febr. 1822 
(ohne Namen, wahrscheinlich von Schön).
	        
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