Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

236 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. 
den raschen litthauischen Rossen sehr mühsam. Schön aber wußte alle 
Bedenken zu überwinden, der allgemeine Wunsch nach Vereinfachung der 
Verwaltung kam ihm zu statten, und im Jahre 1824 wurde er zum 
Oberpräsidenten der Provinz Preußen ernannt. So entstanden zwei neue 
Provinzen, die eine fast ebenso groß, die andere fast ebenso stark bevölkert 
wie das gesammte rechtsrheinische Baiern. Im Rheinland bewährte sich 
die Vereinigung vollständig; in der Provinz Preußen traten doch bald 
scharfe Gegensätze hervor, die Westpreußen fanden sich durch die ost— 
preußische Mehrheit in ihren Interessen geschädigt, und nur so lange 
Schön sein gestrenges und sorgsames Regiment führte blieb die neue 
Ordnung unangefochten. — 
Der Angriff auf die Einheit der Verwaltung war gescheitert; um so 
sicherer hoffte die feudale Partei die Einheit der Verfassung zu hinter- 
treiben. Am 30. Okt. wurde die neue Commission — die fünfte und 
letzte — einberufen, um über die Bildung der Provinzialstände zu be- 
rathen. Der König nahm seinen würdelos nachgiebigen Staatskanzler 
beim Wort, schloß ihn von den Berathungen gänzlich aus. Er berief 
den Kronprinzen zum Vorsitzenden, zu Theilnehmern die sämmtlichen Mit- 
glieder jenes vierten Ausschusses, welcher soeben die Verwerfung der 
Communalordnung gegen Hardenberg durchgesetzt hatte. Neu hinzu traten 
nur: der Minister Voß-Buch, die Präsidenten Vincke und Schönberg und 
als Schriftführer: Geh. Rath Duncker. Es war wie eine feierliche Ab- 
dankung des Staatskanzlers. Die Commission eröffnete ihre Sitzungen 
am 4. Dechbr. Sie berief sodann nach einander eine kleine Zahl von 
Notabeln aus den einzelnen Landestheilen. Zuerst (Januar 1822) tagten 
die Brandenburger, dann die Notabeln aus Pommern, Ostpreußen, West- 
preußen, aus der Niederlausitz, aus Sachsen. Im Mai wurden die 
Schlesier und die Oberlausitzer, im Oktober die Westphalen, zuletzt die 
Rheinländer und (im März 1823) die Posener gehört. Die Einberufenen 
waren zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet, und da die Censur auch 
die Zeitungen scharf überwachte, so blieb das Geheimniß so wohl bewahrt, 
daß erst im Jahre 1847 durch die Schriften von Röpell und Wuttke 
Einiges aus den Verhandlungen der schlesischen Notabeln bekannt wurde. 
Schon die Auswahl der Vertrauensmänner ließ erkennen, wie viel 
Boden die Altständischen gewonnen hatten in den vier Jahren seit jener 
Bereisung der Provinzen. Damals waren noch Männer aus allen Stän- 
den vernommen worden. So weit ging man freilich auch jetzt nicht, kurz- 
weg die Deputirten der alten Landtage als solche zu versammeln, wie 
einst die Ruppiner Stände verlangt hatten. Aber wie ganz unbillig, wie 
ganz zuwider allen Traditionen dieser gerechten Krone wurde der Adel 
bevorzugt! Unter den etwa hundert Notabeln, die man aus der Monarchie 
einberief, waren: aus Schlesien 15 vom Landadel, 6 Bürger, kein Bauer; 
aus den Marken 6 Edelleute, 4 Bürger, kein Bauer; aus Westphalen
	        
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